Die Ordnung des Krieges. Das Zusammenspiel militärischer und ziviler Verordnungen während der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges

Einleitung zur Edition von Philip Haas

[1]

1. Die Frühe Neuzeit zwischen Gewalt und Ordnungsstreben

Krieg gilt als Epochensignum der Frühen Neuzeit, als „faktischer Normalzustand“ der Vormoderne in Europa,[2] was sich in das Narrativ vom unruhigem Krisenzeitalter einfügt.[3] Doch selbst vor diesem Hintergrund sprengte der Dreißigjährige Krieg den herkömmlichen Erfahrungsraum der strukturell kriegsgewohnten Zeitgenossen und wirkte als „Störfall frühneuzeitlicher Geschichtserfahrung“.[4] Die menschlichen Grundbedürfnisse nach Schutz und Ordnung waren in der Frühen Neuzeit von besonders hoher Bedeutung, wurden eng aufeinander bezogen und äußerten sich etwa in dem Konzept der ‚Guten Policey‘ und weiteren Ordnungsbestrebungen.[5] Obwohl die Vorstellung einer Sozialdisziplinierung, die diesbezüglich ein bewusstes obrigkeitliches Streben im Sinne eines absolutistischen ‚Masterplans‘ unterstellte, ad acta gelegt wurde, gilt die Frühe Neuzeit noch immer als Zeitalter angestrebter Ordnung.[6] Wie passt beides zusammen? Sind Bellizität und Ordnungsstreben nicht als unüberwindliche Gegensätze anzusehen? Eher das Gegenteil war der Fall, wie sich gerade am Dreißigjährigen Krieg erkennen lässt, dessen Verwerfungen tendenziell das Bedürfnis nach Schutz und Ordnung verstärkten.[7] Aber wie griff beides ineinander? Worin bestand die ‚Ordnung des Krieges‘ und wie sollte sie erreicht werden? 

Vorab stellt sich die Frage, was genau den Dreißigjährigen Krieg zum „Störfall“ machte und dementsprechend einzuhegen und zu ordnen war. Kurz gesagt: Die exorbitante Gewalt. Innerhalb der Breitenwahrnehmung, aber auch in Teilen der historischen Forschung, wird der Dreißigjährige Krieg mit ungezügelten, soldatischen Gewalttaten gegen eine weitgehend schutzlose Zivilbevölkerung assoziiert, die sich aber partiell zusammenrottete, um das Recht in die eigene Hand zu nehmen und sich in Eigeninitiative bewaffnet zur Wehr zu setzen. Dieses Bild baut durchaus auf zeitgenössischen Texten auf, so etwa auf die bekannten Kapitel 4, 13 und 14 des ersten Buches von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens „Simplicissimus Teutsch“, ebenso auf zahlreichen Ego-Dokumenten.[8] Nicht minder ist es aber der historiografischen Deutung und Rezeption geschuldet. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein galt der Dreißigjährige Krieg als die „Urkatastrophe der Deutschen“. Demnach verschmolz die Vorstellung einer „alles verheerenden Kriegsfurie […] im bürgerlich-öffentlichen Geschichtsbild“ mit einer vermeintlichen Schwächung von Kaiser und Reich als einem „national-geschichtlichen deutschen Sonderweg“ zu einer fatalen Einheit.[9] Ist die Erzählung von der exzeptionellen Gewalt dieses Krieges also real oder übertrieben und etwa als effektvolle Kulisse einer weitreichenden Gesamtdeutung der Reichsgeschichte zu werten? Die geschichtswissenschaftliche Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich hierzu sehr unterschiedlich positioniert: Einerseits wird auf ein Übermaß zeitgenössischer archivalischer Quellen verwiesen, welche vielstimmig Zeugnis von den Gewalttaten ablegen.[10] Andererseits wird auf deren teilweise topischen Charakter und die Literarizität erzählender Quellen sowie die kulturgeschichtlich unterlegten Kategorien von gesellschaftlich vorgeprägter Wahrnehmung, Erfahrung und Erinnerungen hingewiesen, die es schwierig machen, sich den damaligen Realitäten wirklich zu nähern.[11] Zudem werden divergierende Wahrnehmungsweisen und Wertesysteme von Soldaten und Zivilbevölkerung hervorgehoben[12] oder positive Seiten der Interaktion beider Gruppen herausgestellt,[13] die ohnehin nicht trennscharf zu unterscheiden seien.[14]

Unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß der Gewalttätigkeiten lassen sich obrigkeitliche Bemühungen und Mechanismen finden, die darauf abzielten, die potenziell konfliktträchtige Interaktion zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung zu reglementieren. Nicht nur die zivilen Herrschaftsträger, sondern auch die militärischen Befehlshaber hatten ein eminentes Interesse daran, das Verhältnis zwischen Einwohnern und Soldaten in geregelte Bahnen zu überführen, auch um ihr Handeln zu legitimieren.[15] Ihre jeweiligen Regelungs- und Ordnungsversuche in Gestalt unterschiedlicher Mandate und Verordnungen wurden aufeinander abgestimmt und sollten ineinandergreifen, werden bis heute aber zumeist separiert erforscht.[16] Sie stellen – so die These der vorliegenden Studie – zugleich den Versuch der Obrigkeit dar, Gewalt zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung in legitime und illegitime deutend auszudifferenzieren, wobei das gewünschte Verhalten beider Gruppen wechselseitig aufeinander bezogen wurde. Es ging dabei also nicht allein um die Ordnung von Gewalt und eine diesbezügliche Normdurchsetzung, sondern auch um die Einordnung von Handlungen als Gewalttat oder legitime Verteidigung.

Die folgende kleine Quellenedition soll exemplarisch das Zusammenspiel von militärischen und zivilen Verordnungen aufzeigen, um damit ein Schlaglicht auf die damaligen Bestrebungen zu werfen, den Krieg zu ordnen und die Deutungshoheit über die Gewalt zu gewinnen. Die Analyse bleibt dabei auf Reglementierungsversuche innerhalb der Territorien reduziert, zeitgleiche Bemühungen um eine ‚zwischenstaatliche‘ Verrechtlichung des Krieges werden nicht in die Untersuchung miteinbezogen.[17]

 

2. Quellenlage, Forschungsstand und historische Gegebenheiten

Die ausgewählten Quellen entstammen der Überlieferung des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist für dieses bedeutende welfische Territorium durch aussagekräftige Quellenbestände dokumentiert, die sich im Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel befinden. Für die gesamte Frühe Neuzeit existiert eine umfassende Sammlung fürstlicher Verordnungen, die der Verfasser in Teilen selbst erschlossen hat.[18] Auch die korrespondierenden Akten zu Einquartierungen, Kontributionen und die damit einhergehenden Unterhandlungen sind reichhaltig und harren noch einer systematischen Auswertung.[19] Als Untersuchungszeitraum dient die zweite Hälfte des Dreißigjährigen Krieges, insbesondere die 1630er Jahre sollen betrachtet werden. Sie wurden für das genannte Herzogtum bislang noch nicht untersucht, da sich die landesgeschichtliche Forschung mit Blick auf den sogenannten Niedersächsisch-Dänischen Krieg und die Schlacht bei Lutter am Barenberge auf die 1620er Jahre konzentriert hat.[20] Demgegenüber streift die überregionale Forschung für den gewählten Untersuchungszeitraum regelmäßig das Gesamtherzogtum Braunschweig-Lüneburg, ohne freilich die Verhältnisse vor Ort detailliert zu beleuchten.[21]

Demnach quartierte sich die schwedische Armee hier mehrfach ein und musste nach der verlorenen Schlacht bei Nördlingen (1634) unter dem Feldmarschall Johann Banér (1596-1641) rasch Truppen in diese Region verlegen, auch um angesichts der abfallenden Welfenherzöge die Verbindung zu Westfalen nicht abreißen zu lassen. Zugleich baute der wendige Politiker und erfahrene General Herzog Georg von Braunschweig-Calenberg (1582–1641) ein Kreisheer auf, durch welches die welfischen Fürstentümer zeitweise nahezu den Status einer dritten Partei einnahmen. Die weiteren Gegebenheiten im Teilherzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel gehen anschaulich aus einer zeitgenössischen Beschreibung hervor: Die gut befestigte, wirtschaftlich potente und nahezu autonome Stadt Braunschweig entzog sich völlig politischen Vorgaben des Landesherrn und den Zahlungsaufforderungen für die militärischen Lasten.[22] Die Festung Wolfenbüttel blieb das ganze Jahrzehnt über von den Kaiserlichen besetzt, während eine Reihe von Ämtern bei Schöningen als Wittum der Herzogin von Abgaben befreit waren und weitgehend von Einquartierungen und Zerstörungen verschont blieben. „Die übrige örter des Landes außerhalb der Schöningschen und Braunschw[eigischen] örter sind meistentheils zu grunde verheeret, abgebrand, verwüstet unnd verdorben, die vielen marchen haben allen vorrath weggenommen, und zu bestellung der äcker aller mittel consumirt“.[23] Braunschweig-Wolfenbüttel gehörte nicht zu den Gebieten, die der Krieg völlig verheerte, verschont blieb das Fürstentum allerdings auch nicht.

 

3. Militärische Verordnungen – eine kleine Typologie

Die Unterhaltung und Verpflegung der verhältnismäßig großen Armeen gilt bekanntlich als zentrale Frage des Dreißigjährigen Krieges. Um sie zu beantworten, habe Wallenstein – angeblich persönlich – das Kontributionssystem erfunden, das vorsah, Lohn und Nahrung der Soldaten vornehmlich aus den besetzten Gebieten zu erheben. Gegen Ende der 1620er Jahre sei dieses Vorgehen dann von sämtlichen Heerführern übernommen worden.[24] Innerhalb der Forschung ist dabei unbestritten, dass die Erhebung der Kontributionen nicht rein gewaltsam und im Unterschied zur Plünderung nicht durchweg chaotisch verlief.[25] Bei eingehender Betrachtung zeigt sich ganz im Gegenteil, dass das Kontributionssystem den Versuch darstellte, Gewalt zu vermeiden und den Umgang zwischen Soldaten und der Zivilbevölkerung streng zu reglementieren. Auf militärischer Seite wurde zu diesem Zweck im Wesentlichen auf drei Gattungen von Verordnungen rekurriert, deren eine allerdings von der zivilen Obrigkeit erlassen wurde. 

Seit dem 15. Jahrhundert existierten sogenannte Artikelbriefe, die nach Art eines privatrechtlichen Vertrages wechselseitige Rechte und Pflichten des Feldherrn und der Soldaten festschrieben. Mit dem Fortschreiten des Dreißigjährigen Krieges fanden zunehmend disziplinarische und kriegsrechtliche Komponenten Eingang in diese, welche etwa auch Übergriffe der Soldaten auf die Bevölkerung verboten.[26] Die auch auf im Rahmen dieser Edition präsentierte, als „Ordinantz“ (NLA WO 40 Slg Nr. 1791) bezeichnete Verordnung des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) trägt eindeutig Züge eines Artikelbriefs und ergänzt offensichtlich einen vorhandenen um Anweisungen zum Umgang mit der Zivilbevölkerung. 

Damit wäre die zweite wichtige Gattung militärischer Verordnungen bereits angesprochen, die Verpflegungsordonnanzen. Sie kamen in den 1590er Jahren auf, fanden dann aber erst während der 1620er Jahre im Zuge des sich etablierenden Kontributionswesens große Verbreitung und gelten als dessen wichtigster Bestandteil.[27] Das Verhältnis zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung zu regeln, war eines der hauptsächlichen Ziele dieser Textgattung. Schwerpunktmäßig sollten sie die Versorgung der Soldaten und als deren Kehrseite die Belastung der Bevölkerung in Form von Kontributionen, Einquartierungen und Übergriffen normieren. Zu diesem Zweck wurden nicht selten in tabellarischer Form bestimmte Quantitäten an Geldern und Gütern festgelegt, welche die Soldaten in regelmäßigen Abständen erhalten sollten. Während der Artikelbrief permanent im Hintergrund stand, gilt die Abfassung und Publikation einer Verpflegungsordonnanz als erste Maßnahme eines Feldherrn unmittelbar vor oder direkt nach dem Einmarsch in ein Territorium.[28]

Die in der Edition befindliche „Ordonnance“ Herzogs Georgs (NLA WO 40 Slg Nr. 1879) kann als typisches Beispiel dieser Textgattung dienen. Sie legt fest, wie viel Verpflegungsgeld („Lehnung“) jedem Soldaten gemäß seinem Dienstrang in periodischem Abstand von zehn Tagen zusteht, und trifft Festlegungen zur Versorgung der Pferde mit Hafer, Heu und Stroh. Sie schränkt weitere Sachleistungen („Servicen“) auf Salz, Licht (also auch Feuerholz) und die Unterbringung ein. Alternativ können diese Sachleistungen durch ein aufgelistetes Servicen-Geld beglichen werden. Analog zu den zeitgenössischen Policey-Ordnungen[29] lag ein wichtiges Motiv darin, jeglichen „Luxus“ einzudämmen, weshalb etwa die Unterbringung von Dienern zu Lasten der Bevölkerung verboten wird. Forderungen, welche über die in der Ordonnanz festgelegte Grundversorgung hinausreichten (sogenannter „Exorbitantien“), und einer damit einhergehenden Belastung der Zivilbevölkerung hatten sich die Soldaten zu enthalten. Gewaltsame Übergriffe waren strengstens verboten, ein Verlassen des Heerlagers („Excursionen“) durfte nur mit Erlaubnis des zuständigen Offiziers erfolgen und musste jederzeit durch gültige Pässe beglaubigt werden können. Wer sich darüber hinwegsetzte, sollte festgenommen und zur Rechenschaft gezogen werden. Die Ordonnanz enthält keine Angaben zum Lohn der Soldaten oder den ihnen tägliche zustehenden Quantitäten an Nahrungsmitteln, was nicht selten ebenfalls in derartigen Texten geregelt wurde. 

Innerhalb der Ordonnanzen wurde es der lokalen Obrigkeit anheimgestellt, die festgeschriebenen Quantitäten an Versorgungsgütern aufzubringen; über die hierzu passenden Mittel und Wege hatte diese selbst zu befinden. Die Erhebung der Kontributionen ruhte folglich explizit auf den bereits vorhandenen zivilen Verwaltungsstrukturen.[30] Diese Leistungen wurden auf zwei Wegen aufgebracht: Zum einen forderte der Herzog als Landesherr die Landstände dazu auf, bei regelmäßig „gehaltenem Landtage aus untertheniger affection“[31] Gelder zu bewilligen, die dann anteilig von diesen gezahlt werden mussten. Zum anderen wurden sogenannte „Kontributionsbezirke“[32] eingerichtet, aus denen die vor Ort einquartierten Truppen lokal verpflegt werden mussten. „Assignationen“ legten fest, welche Städte, Ämter, Gerichte und Adlige vor Ort bestimmte aufzubringende Mengen („Quota“) in Form von Geld und Naturalien („Proviantkorn“) zu leisten hatten.[33] Zeittypisch waren bestimmte Amtsträger und Honoratioren von den Abgaben dispensiert.[34]

Dieses zweigleisige Verfahren lässt sich mit Blick auf die militärischen Spezifika während der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges besser verstehen: Eine zusehends verschlechterte Versorgungslage machte eine grundlegende Umstrukturierung der Armeen notwendig. Statt große Truppenverbände zu massieren, wurden nun kleinere, meist berittene und damit mobilere Kontingente aufgestellt, die sich nur operationsbezogen möglichst kurzzeitig vereinigten.[35] Eine solche Eskadron, meist unter Kommando eines Offiziers vom Range eines Rittmeisters bis zum Obristen, hatte halbautonom zu agieren und sich partiell selbst zu versorgen. Als ein typisches Beispiel wurde für die Edition eine handschriftliche Assignation (NLA WO 40 Slg Nr. 1917) Herzog Augusts des Jüngeren für die bei Stadtoldendorf in Quartier liegende Reiterkompagnie des Rittmeisters Erich von Bennigsen ausgewählt. Der Herzog erteilt darin den umliegenden Klöstern, Städten und Dörfern die Anweisung, eine monatliche Abgabe zur Verpflegung der Soldaten aufzubringen, womit er indirekt zugleich den Kontributionsbezirk festlegt und kartiert. Zudem gestattet er dem Rittmeister ein gewaltsames Vorgehen gegen die Zahlungspflichtigen, falls diese die in der Assignation festgesetzten Quoten nicht termingerecht liefern sollten. Militärische Gewalt wurde also nicht verboten, sondern sie sollte wohldosiert und zielgerichtet eingesetzt werden, wenn die zivile Verwaltung bei der Versorgung versagte. Vertraglich vereinbart und schriftlich in Verordnungen fixiert, stand sie jederzeit als Drohkulisse im Raum. Bei gravierenden Rechts- und Vertragsbrüchen Gewalt einzusetzen, war durchaus mit dem allgemeinen Rechtsdenken der Frühen Neuzeit konform.[36]

Eben ein solcher Vertragscharakter kam den Assignationen zu, wurden sie doch im Regelfall zwischen militärischen Befehlshabern und ziviler Obrigkeit ausgehandelt. Aushandlungsprozesse fanden auf unterschiedlichen Ebenen statt, etwa zwischen Landesherr und Feldmarschall,[37] zwischen Landständen und General,[38] aber auch zwischen Amtmännern oder Vögten und Obristen oder Hauptleuten.[39] Da sich die Kriegs- und Versorgungslage rasch ändern konnte und dementsprechend Anpassungen zu erfolgen hatten, waren Verpflegungsordonnanzen und Assignationen in der Regel auf relativ kurze Zeitintervalle angelegt und wurden periodisch erneuert.[40] Beide Seiten standen in einem engen kommunikativen Kontakt und sandten einander unausgesetzt Briefe und Emissäre. Die Quoten der Kontributionen und Leistungen, aber auch die Anordnung der Kontributionsbezirke wurden immer wieder an die sich rasch wandelnden materiellen Voraussetzungen angepasst, was eine schnelle Abfolge von handschriftlichen Ordonnanzen nach sich zog.[41]Die Verordnungen normierten also nicht nur, sie bildeten auch eine Momentaufnahme des aktuellen Verhandlungsstands zwischen beiden Seiten ab. Sie spiegeln wider, dass die zivile Obrigkeit und die Offiziere sich fortwährend auf Abmachungen verständigten, um nach Möglichkeit zu einem geregelten Miteinander zu finden.

 

4. Zivile Verordnungen und ihre Publikation

Im betrachteten Untersuchungszeitraum erging im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel eine ganze Reihe landesherrlicher Verordnungen gegen plündernde Soldaten, welche die eben betrachteten militärischen Verordnungen flankierten.[42] Diese Mandate setzten Marodeure mit Straßenräubern gleich und drängten auf die seit Jahrzehnten propagierten Maßnahmen gegen derartiges „Gesindlein“.[43] Soldaten ohne gültigen Pass, die nicht gedeckt durch Ordonnanz, Assignation und Vollmacht fouragierten, müsse man einer „gebührende[n] Execution und Bestraffung“ zuführen. Entschiedener noch als in früheren Verordnungen gegen Straßenräuber wurde die Bevölkerung zum bewaffneten Widerstand aufgerufen: „Bevorab die BawersLeute“ sollten „mit düchtigem gutem Gewehr“ Soldaten ohne gültigen Pass zur Strecke bringen, sie also „niederhawen“, festnehmen und der Obrigkeit übergeben oder nötigenfalls umbringen. Da die Bevölkerung „gantz erbärmlich gebrandschätzt, gepresset und gequelet“ werde, stehe es „ein[em] jede[n] Unserer Unterthanen“ nicht nur frei, bewaffnet Widerstand zu leisten, sondern dies sei seine Pflicht. Um gegen die Übermacht der Soldaten bestehen zu können, sollten die Dorfbewohner und gegebenenfalls auch Nachbardörfer durch Glockenschlag zur gemeinsamen Abwehr versammelt werden.[44] Zugespitzt ausgedrückt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Einhaltung der weiter oben betrachteten Verordnungen aus dem Räuber einen Soldaten machte und Plünderungen als geordnetes Fouragieren erscheinen ließ. Gewalt seitens der Zivilbevölkerung gegenüber den Soldaten war also nicht allein zielgerichtet, wie Markus Meumann jüngst herausgestellt hat, sondern auch durch die Obrigkeit als solche gebilligt, sofern sie den publizierten Grundsätzen entsprach.[45]

Stützte sich die Aktivierung der Bevölkerung inhaltlich auf das etablierte Narrativ der Bekämpfung von Räubern, so konnte in formaler Hinsicht auf das bestehende Publikationsverfahren zurückgegriffen werden, wie es sich im Laufe des 16. Jahrhunderts eingespielt hatte.[46] Es lässt sich grob schematisiert an den drei zivilen Verordnungen erläutern, die für die Edition ausgewählt wurden: Die beiden fürstlichen Verordnungen (NLA WO 40 Slg Nr. 2021 und 2022) wurden in zwei Varianten gedruckt, zum einen als Aushänge mit Siegel und Unterschrift des Herzogs und zum anderen als heftförmige Exemplare ohne Beglaubigungsmittel. Die Aushänge wurden mit Nägeln an öffentlichen Orten wie Rathaustüren, Türen von Wirtshäusern oder speziellen Pfählen angeheftet („affigiert“), wovon in beiden ausgewählten Fällen noch immer das Loch oben in der Mitte der Drucke zeugt. Die heftförmige Ausfertigung sollte hingegen von Beamten an öffentlichen Orten und von den Pfarren im Anschluss an den Gottesdienst laut von der Kanzel verlesen werden. Die entsprechenden Beamten und Pfarrer erhielten hierzu ein begleitendes „Ausschreiben“ zugesandt (NLA WO 40 Slg Nr. 2024), welches sie dazu aufforderte, die beiden Verordnungen zu verlesen, den Untertanen zu erläutern und für die Einhaltung Sorge zu tragen. Das Ausschreiben wurde meist ebenfalls gedruckt und durch eine handschriftlich ergänzte Titulatur an den Adressaten und dessen Stand angepasst. Für gewöhnlich, in diesem Fall allerdings nicht, war ein solches Schreiben mit dem Siegel und der Unterschrift des Landesherrn versehen. Das beiliegende heftförmige Mandat wies, wie erwähnt, keine Beglaubigungsmittel auf, da diese auf dem Ausschreiben externalisiert waren. 

Die beiden ausgewählten Mandate verfolgen inhaltlich eine etwas unterschiedliche Stoßrichtung. Die erste Verordnung (Nr. 2021) richtet sich an die Beamten und Offiziere des herzoglichen Heeres. Sie skizziert die unerlaubten Übergriffe auf die Zivilbevölkerung durch weimarische und schwedische Truppen, die kaiserlichen Soldaten in Wolfenbüttel und die herzoglichen Soldaten selbst. Ihnen wird vor Augen gestellt, dass sich die Soldaten auf diese Weise ihre Versorgungsgrundlage entzögen und „durch jhr eigenes verursachen in unersetzlichen Abgang und Verderb gerathen“. Die Beamten und Offiziere werden in die Verantwortung genommen, die umherziehenden und sich einquartierenden Soldaten zu kontrollieren und deren Pässe auf Gültigkeit zu prüfen. Diese Dokumente gründen ihrerseits auf den oben dargestellten militärischen Verordnungen, das hier betrachtete Mandat setzt deren Existenz voraus. Das zweite Mandat (Nr. 2022) adressiert die Untertanen und verbietet ihnen, Kontributionen an die erklärten Feinde des Herzogs zu zahlen. Dies umfasst sämtliche Truppen, die sich nicht als assignierte Kontributionsempfänger ausweisen können, zielt aber im Speziellen auf die kaiserlichen Soldaten innerhalb der Festung Wolfenbüttel ab. Auch in diesem Text werden die Untertanen zu Glockenschlag und bewaffneter Gegenwehr aufgefordert. Implizit spricht das Mandat diese auch direkt an, indem seitens Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel bei etwaigen Übergriffen mit Vergeltung in den katholischen Gebieten Münster und Paderborn gedroht wird. Durch das kombinierte Ausschreiben werden beide Mandate zu einer administrativ-publizistischen Einheit verwoben. Der gewaltige Publikationsaufwand derartiger Verordnungen wird innerhalb der Forschung darauf zurückgeführt, dass nach zeitgenössischem Verständnis Normen ihren Adressaten tatsächlich bekannt sein mussten, um Verstöße sanktionieren zu können (materielles Publikationsprinzip), während erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Veröffentlichung in Amtsblättern und die prinzipielle Möglichkeit einer Kenntnisnahme genügten (formelles Publikationsprinzip).[47]

Auch die Heerführer selbst publizierten Drucke, in denen sie die Bevölkerung dazu aufforderten, Soldaten ohne besondere Ermächtigung („specialen Ordre“) in keiner Weise zu unterstützen. Gefangene Soldaten ohne schriftlichen Auftrag zur Fourage sollten sie bei der zivilen Obrigkeit oder bei ihren militärischen Vorgesetzten anzeigen und diesen zur Bestrafung übergeben bzw. sich nötigenfalls selbst bewaffnet zur Wehr setzen.[48] Umgekehrt machte sich der Landesherr die vom Militär ausgehenden Sanktionsdrohungen innerhalb seiner Verordnungen zu eigen. So ließ etwa Herzog August in Bezug auf von Schweden erhobenen Kontributionsforderungen verkünden: „In wiedrigen unverhofften Fall“, dass die Lieferung nicht fristgerecht erfolge, „wird alßdann eine gehörige zureichende execution wider die Seumige unverzüglich angeordnet“.[49] Als Referenzobjekt wurde oftmals auf korrespondierende Verpflegungsordonnanzen oder genauer gesagt Assignationen verwiesen,[50] welche ja auch tatsächlich nicht selten vom Landesherrn erlassen worden waren, wenn auch unter dem Zwang des herangerückten Heeres. Der Landesherr pochte also gegenüber seinen Untertanen darauf, die militärischen Verordnungen einzuhalten, und brachte die einquartierten Soldaten gegen sie in Stellung. Deren militärische Exekutionen erschienen nun als normgerechte Zwangsmaßnahmen, obwohl sie vermutlich zumeist nicht minder gewaltsam abliefen als Plünderungen ohne entsprechende Verordnung. Auch hier gilt also, dass die Verordnung den Unterschied zwischen einem pflichtgemäß handelnden und einem widerspenstigen Untertan ausmachte, zwischen ordnungskonformer Maßnahme der Obrigkeit und brutalem Übergriff. Ordnung war folglich eine Frage der (schriftlichen) Verordnung.

Militärische und zivile Rechtssphäre wurden also kunstvoll durch Ketten militärischer und ziviler Verordnungen miteinander verschränkt. Verstöße auf einer Seite, etwa in Form von Übergriffen oder unzureichender Versorgung, sollten durch Exekution und Sanktion der anderen Seite in Zaum gehalten werden. Anders gesagt: Soldaten und Zivilbevölkerung sollten einander wechselseitig policeylich kontrollieren.

 

5. Ließ sich der Krieg ordnen?

War dieses kunstvolle Gespinst miteinander vernetzter Verordnungen erfolgreich? Ließ sich der Krieg auf diese Weise ordnen, ließ die Gewalt sich zähmen? 

Das Bild, welches die Aktenüberlieferung hierzu zeichnet, ist disparat. So lassen sich Episoden in den Quellen finden, welche den Erfolg der Ordnungsmaßnahmen eindeutig belegen. Drei dieser Beispiele seien hier angeführt: Ein Obrist des niedersächsischen Kreisheeres namens Ostringer wollte sich auf eigene Faust in Stadtoldendorf versorgen. Er und seine Soldaten ergriffen vor den Stadtmauern den Bürgermeister, um Geld und Nahrung zu erpressen, woraufhin die Bürger Alarm schlugen und in großer Zahl „mit gewehrter Hand“ gegen die Soldaten vorgingen. In den sich anschließenden Verhandlungen präsentierten sie mehrere Verordnungen und pochten darauf, bereits „dem zabeltischen Regiment“ verschrieben zu sein. Der Obrist musste unverrichteter Dinge wieder abziehen und verlangte von seinem Oberbefehlshaber Herzog Georg, die Assignation des anderen Regiments auf sein eigenes übertragen zu lassen.[51] 

Zweites Beispiel: Als Herzog August während der 1640er Jahre eine schärfere Kontrolle von Pässen und die Einhaltung seiner „durch offenen Druck publicirten“ Verordnungen einforderte,[52] hatte dies einen solch unerwarteten Erfolg, dass er wieder zurückrudern musste: Er habe „mit nicht weniger Befrembdung“ wahrgenommen, „daß solche Unsere wolmeinende Verordenung gar anders außgedeutet und dahin verstanden werden wolle, als wären“ die Kontributionserhebungen und „executiones gänzlich verboten und auffgehoben“.[53] So sei es jedoch nicht gemeint gewesen, es gehe ihm lediglich um die geregelte Eintreibung der Kontributionen, nicht um deren Abschaffung. 

Drittens: Der schwedische General Jakob King teilte im Jahre 1635 den Kanzlern und Räten in Wolfenbüttel mit, er habe, wie von ihnen verlangt, gegen zwei Rittmeister „scharffe genaue inquisition“ angeordnet, die bei Bahrdorf hätten plündern lassen. Nachdem sich deren Schuld erwiesen habe, habe er die „exemplarische abstraffung der delinquenten ernstlich anbefohlen“. Diese Aburteilung der Offiziere sei um „gute[r] confidentz“ willen geschehen. Nun, da das Vertrauen zwischen beiden Seiten wiederhergestellt sei, könne doch bitte die nächste Versorgungscharge an sein Heer geliefert werden.[54] 

Oft genug aber scheiterten die Ordnungsmaßnahmen vollständig und es kam zu brutalen Plünderungen, wie zahlreiche Berichte belegen. Nicht selten wurden die Verordnungen auch bewusst missachtet: Als beispielsweise zu Beginn des Jahres 1634 der oben angesprochene schwedische Rittmeister Erich von Bennigsen mit seiner Reiterschwadron im Amt Greene auftauchte und nach Geld und Verpflegung verlangte, präsentierte ihm der dortige Amtmann nach eigenem Bekunden eine „Verpflegungsordinantz“ und ein gedrucktes Schreiben des schwedischen Kanzlers Axel Oxenstierna, allerdings mit wenig Erfolg.[55] Auch sorgte die früher oder später eintretende Zahlungsunfähigkeit des besetzten Territoriums für den Kollaps des geregelten Kontributionssystems, was militärische Exekutionen nach sich zog. Im Februar des Jahres 1643 war es in Braunschweig-Wolfenbüttel soweit: Die Landstände waren nach mehreren extraordinären Kontributionen praktisch zahlungsunfähig,[56] so dass Herzog August der Jüngere in einer verzweifelten Anstrengung sogar seine Amtmänner und deren Amtsschreiber um die Aufnahme persönlicher Kredite bitten musste, um noch irgendwie an dringend benötigtes Geld zu gelangen.[57] 

Die hier betrachteten Verordnungen und das System der Kontributionen stellten den Versuch dar, unter Ausbau und Anpassung der zur Verfügung stehenden Mitteln eine auch für die Zeitgenossen extreme Situation in geordnete Bahnen zu lenken. Diese Mittel bestanden seitens der Heere in einer Extensivierung und Intensivierung bereits gebräuchlicher militärischer Verordnungen, während im zivilen Bereich an Narrative und Publikationsformen der Policey angeknüpft wurde. Unter dem Zwang des Krieges schlossen die Entscheidungsträger von Armee und ziviler Verwaltung auf verschiedenen hierarchischen Ebenen Vereinbarungen, um ihre jeweiligen Verordnungen und Sanktionsmittel miteinander zu verkoppelt und aufeinander abzustimmen. Ihren vertraglichen Niederschlag fanden diese Vereinbarungen zumeist in weiteren, gemeinsam ausgehandelten Verordnungstexten, vor allem in den Assignationen. Das eigentlich neue Ordnungsmittel lag in dem dichten Verweisungszusammenhang all dieser bereits zuvor vorhandenen Elemente, in der gewollten Verzahnung von Verordnungen und Exekutivmitteln von Besatzungsarmee und Zivilverwaltung. Den Krieg zu zähmen, gelang auch mit diesen Mitteln nur sehr unzureichend, aber völlig erfolglos war das Unterfangen nicht. 

Letztlich weist die Ordnung des Krieges strukturelle Schnittmengen mit der frühneuzeitlichen Policey insgesamt auf. Auch deren Durchsetzbarkeit wird in Teilen der Forschung grundlegend in Zweifel gezogen oder sogar vollkommen in Abrede gestellt.[58] Auch wenn man zu einem differenzierteren Urteil gelangt, lassen sich Defizite in der Durchsetzung der Policeynormen nicht abstreiten. Diese führten aber nicht dazu, dass die Obrigkeit davon Abstand nahm, Policeyordnungen zu erlassen – ganz im Gegenteil, bekanntlich nahm die Zahl der erlassenen Mandate im Laufe der Frühen Neuzeit drastisch zu und fand ihren Höhepunkt erst im 18. Jahrhundert.

Der Erfolg oder Misserfolg von Verordnungen ist generell nicht nur an deren Durchsetzungskraft als Norm zu bemessen[59] – dies gilt auch für die hier betrachtete Thematik. Jenseits von ihrer Durchsetzung erfüllten die eben betrachteten Verordnungen zwei Funktionen: Als Verträge zwischen der zivilen Administration und dem Militär bildeten sie eine gemeinsame Handlungsgrundlage, als Verordnungen im eigentlichen Sinne schufen sie einen Deutungs- und Ordnungsrahmen, nach welchem sich Handlungen überhaupt erst als ordnungskonform und damit legitim oder eben als Bruch dieser Ordnung bewerten ließen. Wie gezeigt werden konnte, unterschieden sich Ordnung und ein Abweichen von dieser nicht durch das Maß der tatsächlich verübten Gewalt. Entscheidend war vielmehr, ob Gewalt auf der Grundlage von gedruckten oder handschriftlichen Verordnungen erfolgte oder eben nicht. In dieser Betrachtungsweise waren sich zumindest die zivilen und militärischen Machthaber einig; für die betroffenen Untertanen und Soldaten mag der Unterschied dagegen oft nur marginal gewesen sein. Die etablierten Feinde der Ordnung, wie etwa Straßenräuber oder widerspenstige Untertanen, konnten dabei als Gegenbilder des wohlgeordneten Krieges fungieren. Mag es auch nur partiell gelungen sein, den Krieg durch Mandate zu ordnen – in jedem Fall wurde er auf diese Weise in einen etablierten und mental handhabbaren Denkrahmen eingeordnet.

 

6. Zur Bereitstellung der Quellentexte 

Bei der Bereitstellung der Quellentexte handelt es sich nicht um eine historisch-kritische Edition nach wissenschaftlichen Grundsätzen, sondern um ein Ensemble von digitalisierter Quelle und Transkript. Den in der Fotowerkstatt des Niedersächsischen Landesarchivs – Abteilung Wolfenbüttel angefertigten Digitalisaten wurde eine Transkription der Dokumente an die Seite gestellt, um die Lektüre zu erleichtern. Aus diesem Grund wurde auf eine Normalisierung verzichtet, die Transkription bietet eine zeilen- und buchstabengetreue Abschrift des jeweiligen Quellentextes. Virgeln wurden nicht in Kommata aufgelöst, in Antiquaschrift gehaltene Wörter oder Wortteile des in Kurrentschrift oder Fraktur gehaltenen Originals wurden normalisiert. Im Fußnotenapparat findet sich jeweils eine kurze Erklärung zeitgenössischer Fremdwörter, Termini und Redewendungen, um das inhaltliche Verständnis der Texte zu erleichtern.


[1] Vorliegende Abhandlung ist aus einem Aufsatz des Verfassers erwachsen, geht aber einer anderen Fragestellung nach als dieser, vgl. Philip Haas: Mehr als Normativität. Funktionsweisen und Bedeutungsaspekte von obrigkeitlichen und militärischen Verordnungen während der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges. In: Zeitschrift für Historische Forschung 48 (2021), S. 41-85.

[2] Christoph Kampmann/Horst Carl: Historische Sicherheitsforschung und die Sicherheit des Friedens. In: Irene Dingel u.a. (Hrsg.): Handbuch Frieden im Europa der Frühen Neuzeit. Handbook of Peace in Early Modern Europe, Berlin/Boston 2022, S. 529-549, direktes Zitat auf S. 532. Vgl. auch Anuschka Tischer: Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit. Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 12), Berlin 2012, S. 13 f.; Heinz Duchhardt: Europa am Vorabend der Moderne 1650-1800 (Handbuch der Geschichte Europas 6), Stuttgart 2003, S. 62-82; Johannes Burkhardt: Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas. In: Zeitschrift für Historische Forschung 24 (1997), S. 509-574.

[3] Dies lässt sich bereits an Titeln einschlägiger Überblickswerke erkennen, beispielsweise: Volker Press: Kriege und Krisen. Deutschland 1600-1715 (Die Neue Deutsche Geschichte 5), München 1991. In jüngster Zeit wird der Krisenbegriff kulturgeschichtlich als Kategorie der zeitgenössischen Selbstwahrnehmung untersucht, insbesondere von Rudolf Schlögel/Philip R. Hoffmann-Rehnitz/Eva Wiebel (Hrsg.): Die Krise in der Frühen Neuzeit (Historische Semantik 26), Göttingen 2016. 

[4] Johannes Burkhardt: Der Störfall frühneuzeitlicher Geschichtserfahrung. Ein Epilog zum dreißigjährigen Alltag. In: ders.: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt a. M. 1992, S. 233-243; Christoph Kampmann: Politischer Wandel im Krieg – Politischer Wandel durch Krieg? Militärische Gewalt und politische Innovation in der Epoche des Dreißigjährigen Kriegs. In: Michael Rohrschneider/Anuschka Tischer (Hrsg.): Dynamik durch Gewalt? Der dreißigjährige Krieg (1618-1648) als Faktor der Wandlungsprozesse des 17. Jahrhunderts. Münster 2018, S. 41-67, hier S. 41. 

[5] Dass Ordnungskonzepte etwa im Zentrum der ‚Guten Policey‘ standen, ist innerhalb der Forschung völlig unstrittig, vgl. beispielhaft die historische Begriffsbestimmung bei Peter Nitschke: Von der Politeia zur Polizei. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Polizei-Begriffs und seiner herrschaftspolitischen Dimensionen von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Historische Forschung 19 (1992), S. 1-27, hier S. 12. Aus der Masse der Literatur zur Policey sei hier nur beispielhaft genannt: Karl Härter/Michael Stolleis: Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit. Bd. 1: Das Deutsche Reich und geistliche Kurfürstentümer (Kurmainz, Kurköln, Kurtrier). Frankfurt a. M. 1996, S. 1-36; Karl Härter (Hrsg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft. Frankfurt a.M. 2000; Andrea Iseli: Gute Policey. Öffentliche Ordnung in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2009 sowie die weiter unten aufgeführten Untersuchungen von Karl Härter und Achim Landwehr. 

[6] Wolfgang Reinhard: Zusammenfassende Überlegungen. In: Lothar Schilling (Hrsg.): Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz. L’absolutisme, un concept irremplacable? Une mise au point franco-allemand (Pariser Historische Studien 79), München 2008, S. 229-238, direktes Zitat auf S. 233. Zum Zusammenhang von Absolutismus-Konzept, ‚Guter Policey‘ und Sozialdisziplinierung innerhalb der älteren Forschung vgl. etwa die Beiträge im selben Sammelband von Lothar Schilling: Vom Nutzen und Nachteil eines Mythos. In: ebd., S. 13-31, hier S. 20 f. und Achim Landwehr: Absolutismus oder „Gute Policey“? Anmerkungen zu einem Epochenkonzept. In: ebd., S. 205-228, insbesondere S. 209.

[7] So ein zentraler Befund von Johannes Kraus: Tradition und Pragmatismus. Herrschaftsakzeptanz und lokale Verwaltungspraxis im Dreißigjährigen Krieg (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 27), Göttingen 2021.

[8] Markus Meumann, Gewalt und Gegengewalt. Bewaffnete Gegenwehr als Handlungsoption gegen militärische Übergriffe im Dreißigjährigen Krieg. In: Astrid Ackermann/ders./Julia A. Schmidt-Funke/Siegrid Westphal: Mitten in Deutschland, mitten im Krieg Bewältigungspraktiken und Handlungsoptionen im Dreißigjährigen Krieg (Bibliothek Altes Reich 33), Berlin/Boston 2024, S. 115-164 bietet unter Angabe weiterer Forschungsliteratur auf S. 116-118 eine kenntnisreiche Zusammenfassung zur Wahrnehmung des Dreißigjährigen Krieges als Gewaltereignis sowie auf S. 122-131 eine Zusammenstellung diesbezüglicher literarischer und künstlerischer Quellen beziehungsweise Verarbeitungsformen und auf S. 132-140 von entsprechenden Ego-Dokumenten.

[9] Astrid Ackermann/Markus Meumann/Julia A. Schmidt-Funke/Siegrid Westphal: Mitten in Deutschland, mitten im Krieg? Zur Einführung. In: dies. (Hrsg.): Mitten in Deutschland, mitten im Krieg Bewältigungspraktiken und Handlungsoptionen im Dreißigjährigen Krieg (Bibliothek Altes Reich 33), Berlin/Boston 2024, S. 5-24, hier S. 7-10, direktes Zitat auf S. 9.

[10] Mit weiterführender Literatur: Frank Kleinhagenbrock: Einquartierung als Last für Einheimische und Fremde. Ein Beispiel aus einem hohenlohischen Amt während des Dreißigjährigen Krieges. In: Matthias Asche u.a. (Hrsg.): Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit. Berlin 2008, S. 167-185, hier S. 168; Johannes Burkhardt: „Ist noch ein Ort, dahin der Krieg nicht kommen sey“? Katastrophenerfahrungen und Kriegsstrategien auf dem deutschen Kriegsschauplatz. In: Horst Lademacher/Simon Groenveld (Hrsg.): Krieg und Kultur. Die Rezeption von Krieg und Frieden in der Niederländischen Republik und im Deutschen Reich 1568-1648. Münster u.a. 1998, S. 3-19, insbesondere S. 8-12.

[11] So etwa Anton Schindling: „Ikonen“ der Kriegserfahrung. Eine Bilderauswahl zur Einführung. In: Georg Schild/ders. (Hrsg.): Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit. Paderborn 2009, S. 17-39, hier S. 17: Krieg finde auch „gleichermaßen in den Köpfen der Menschen statt. In deren Köpfen werden die Phänomene der Gewaltanwendung durch bewusstseinsmäßige Vorprägung geordnet und interpretiert, legitimiert oder delegitimiert. Das Töten und Zerstören im Krieg wird in Begriffe und Bilder gefasst, phänomenologisch zugeschrieben und mit einer sinnstiftenden Deutung versehen. Jetzt wird – beginnend mit dem soeben erst wahrgenommenen Geschehen – auch bereits die Erinnerung daran gestiftet“. Meumann, Gewalt und Gegengewalt, S. 130 f sieht in den literarischen Darstellungen keine „‚realistischen’ Gewaltdarstellungen“, sondern eher „moralische Parabeln“, die nicht „mit der Realität gleichgesetzt werden“ dürfen, auch wenn sie eines „lebensweltlichen Bezug[s]“ zum Publikum bedurften. Auch die von ihm untersuchten Ego-Dokumente seien „rhetorischen und gattungsspezifischen Vorgaben der Memorialliteratur“ verpflichtet (S. 132 f).

[12] Vgl. Michael Kaiser: Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zu Konstituierung und Überwindung eines lebensweltlichen Antagonismus. In: Stefan Kroll/Kersten Krüger (Hrsg.): Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, Münster 2000, S. 79-120, Steffi Fabian: Dis waren verfluchte Diebes Hände. Konfliktfelder und Wahrnehmungsdivergenzen zwischen Militär und Zivilbevölkerung bei Einquartierung und Truppendurchzug während des Dreißigjährigen Krieges. In: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 16 (2012), S. 169-196.

[13] Vgl. insbesondere Silke Törpsch: Briefe aus der Landgrafschaft Hessen-Kassel im Jahr 1625: Einführung. Forschungsperspektiven zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, https://thirty-years-war-online.projekte.thulb.uni-jena.de/quellen/briefe/einleitung (Stand: 05.02.2024) „Einquartierungen schufen sowohl Räume volatiler Gewalt, materiellen Verlusts, sozialer Entfremdung und Unsicherheit als auch Interaktionszonen mit funktionalen Sozialbeziehungen, die durch Kommunikation, Kooperation und ökonomische Transaktionen geprägt waren“.

[14] Ralf Pröve: Der Soldat in der „guten Bürgerstube“. Das frühneuzeitliche Einquartierungssystem und die sozioökonomischen Folgen. In: Bernhard R. Kroener/Angela Strauß (Hrsg.): Ralf Pröve. Lebenswelten. Militärische Milieus in der Neuzeit. Gesammelte Abhandlungen. Berlin 2010, S. 39-68, hier S. 40; Jutta Nowosadtko: Militärjustiz in der Frühen Neuzeit. Anmerkungen zu einem vernachlässigten Feld der historischen Kriminalitätsforschung. In: Unrecht und Recht. Kriminalität und Gesellschaft im Wandel von 1500-2000. Gemeinsame Landesausstellung der rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Wissenschaftlicher Begleitband. Koblenz 2002, S. 638-651; Hans Medick: Der Dreißigjährige Krieg. Zeugnisse vom Leben mit Gewalt, Göttingen 2018, S. 96-98.

[15] Meumann, Gewalt und Gegengewalt, S. 153 f; ders.: Herrschaft oder Tyrannis? Zur Legitimität von Gewalt bei militärischer Besetzung. In: Claudia Ulbrich/Claudia Jarzebowski/Michaela Hohkamp (Hrsg.): Gewalt in der Frühen Neuzeit. Beiträge zur 5. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit (Historische Forschungen 81), Berlin 2005, S. 173-187.

[16] Vgl. etwa zu militärischen Verordnungen die in Anm. 26 angeführte Literatur, die nicht vertieft auf policeyliche Verordnungen eingeht. Umgekehrt klammern Untersuchungen zur frühneuzeitlichen Policey und Verordnungstätigkeit in aller Regel militärische Verordnungen aus. Vgl. etwa die Standardwerke: Iseli, Policey; Karl Härter: Policey und Strafjustiz in Kurmainz. Gesetzgebung, Normdurchsetzung und Sozialkontrolle im frühneuzeitlichen Territorialstaat (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 190), Frankfurt a. M. 2005; André Holenstein: „Gute Policey“ und lokale Gesellschaft im Staat des Ancien Régime. Das Fallbeispiel der Markgrafschaft Baden-(Durchlach) (Frühneuzeit-Forschungen 9), Tübingen 2003; Achim Landwehr: Policey im Alltag. Die Implementation frühneuzeitlicher Policeyordnungen in Leonberg (Studien zu Policey und Policeywissenschaft), Frankfurt a. M. 2000.

[17] Vgl. etwa Hugo Grotius: De jure belli ac pacis. Paris 1625.

[18] NLA WO 40 Slg Sammlung der Gesetze und Verordnungen (1498-1831) im Umfang von etwa 14.200 Verordnungen (oftmals inklusive Konzepte), das heißt über 42 laufende Meter Archivgut. Die Erschließungsarbeiten konnten 2023 abgeschlossen werden.

[19] Vor allem: NLA WO 1 Alt 11 Dreißigjähriger Krieg (1619-1656), etwa 5 laufende Meter. Sämtliche Benutzerblätter der Akten waren noch ohne Eintrag.

[20] Vgl. unter Berücksichtigung der älteren Forschungsliteratur: Horst-Rüdiger Jarck: Braunschweig-Wolfenbüttel im Dreißigjährigen Krieg. In: Karl Heinrich Kaufhold/Jörg Leuschner/Claudia Märtl (Hrsg.): Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hildesheim/Zürich/New York 2008, S. 9-72; Horst-Rüdiger Jarck: Der Dreißigjährige Krieg. In: ders./Gerhard Schildt (Hrsg.): Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. 2. Aufl., Braunschweig 2001, S. 513-534.

[21] Vgl. beispielsweise Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie. Darmstadt 2017, insbesondere S. 715-725; Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648. Berlin 2017, S. 645-675.

[22] Zum Status der Stadt Braunschweig als Autonomiestadt vgl. Werner Spieß: Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter. Vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der Stadtfreiheit 1491–1671. Braunschweig 1966, S. 19-227; Henning Steinführer: Herzogtum ohne Hauptstadt. Die Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Braunschweig und Herzog Heinrich Julius. In: Ulrike Gleixner / Werner Arnold (Hrsg.): Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg (1564–1613). Politiker und Gelehrter mit europäischem Profil. Wolfenbüttel 2016, S. 76-92. Grundlegend zum Typus der Autonomiestadt Philip Haas/Martin Schürrer: Erstrittene Freiheit zwischen Kaiser und Fürstenherrschaft. Die frühneuzeitliche Autonomiestadt und der Fall Einbeck (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 318), Göttingen 2023; dies.: Die Autonomiestädte der Frühen Neuzeit. Annäherung an einen wenig beachteten Städtetyp des Heiligen Römisches Reiches anhand norddeutscher Beispiele des 16. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Historische Forschung 50/1 (2023), S. 1-60.

[23] NLA WO 1 Alt 11 Nr. 119, Instruktion für die Gesandten der Stände vom 14.08.1637.

[24] Klassisch: Moritz Ritter: Das Kontributionssystem Wallensteins. In: Historische Zeitschrift 90 (1903), S. 193-249. Vgl. ansonsten beispielsweise: Christoph Kampmann: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. Stuttgart 2008, S. 58-59. Dass die Versorgung der Armeen nicht nur auf Kontributionen beruhte, sondern sich in komplexer Weise aus verschiedenen Komponenten zusammensetzte zeigt bereits Golo Mann in seinem Klassiker: Wallenstein. Frankfurt a. M. 1971 [Nachdruck: Hamburg 2006/2007], S. 403-414. Mann trifft hier auch die Feststellung „Die Kontributionen sind keine Erfindung Wallensteins“ (S. 407). Für die schwedischen Versorgungsstrukturen vgl. den kompakten Überblick bei: Sven Lundkvist: Schwedische Kriegsfinanzierung 1630-1635. Zusammenfassung. In: Hans Ulrich Rudolf (Hrsg.): Der Dreissigjährige Krieg. Perspektiven und Strukturen. Darmstadt 1977, S. 298-303.

[25] Vgl. hierzu bereits die Differenzierung bei Fritz Redlich: Contributions in the Thirty Years‘ War. In: Economic History Review 12 (1959-1960), S. 247-254.

[26] Markus Meumann: Artikelbrief. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Aufl., Bd. 1. Berlin 2008, Sp. 312-313, direktes Zitat in Sp. 312; Peter H. Wilson: Early Modern German Military Justice. In: Davide Maffi (Hrsg.): Tra Marte e Astrea. Giustizia e giurisdizione militare nell’Europa della prima età moderna (sec. XVI-XVIII). Mailand 2012, S. 43-85, hier S. 49-54. Vgl. auch Peter Burschel: Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien. Göttingen 1994, S. 129-143.

[27] Vgl. Kersten Krüger: Kriegsfinanzen und Reichsrecht. In: Bernhard R. Kroener /Ralf Pröve (Hrsg.): Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Paderborn 1996, S. 47-57, hier S. 56-57; Michael Kaiser: Inmitten des Kriegstheaters. Die Bevölkerung als militärischer Faktor und Kriegsteilnehmer im Dreißigjährigen Krieg. In: Krüger/Pröve: Krieg und Frieden, S. 281-303, hier S. 283-285; Wilson: Military Justice, S. 55.

[28] Allerdings ließ die schwedische Armee in den von ihr besetzten Territorien umgehend ihren Artikelbrief ins Deutsche übersetzt drucken und publizieren, vgl. Meumann, Gewalt und Gegengewalt, S 151 f.

[29] Im Mittelpunkt stand hierbei die Absicht, die Untertanen selbst als Normadressaten vor dem finanziellen Ruin zu schützen, vgl. Michael Frank: Exzeß oder Lustbarkeit? Die policeyliche Reglementierung und Kontrolle von Festen in norddeutschen Territorien. In: Härter: Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, S. 149-178, insbesondere S. 154-158. Vgl. auch Karl Härter: Policey und Strafjustiz in Kurmainz. Gesetzgebung, Normdurchsetzung und Sozialkontrolle im frühneuzeitlichen Territorialstaat. Frankfurt a. M. 2005, S. 735 ff.

[30] So auch Peter H. Wilson: War finance, Policy and Strategy in the Thirty Years War. In: Michael Rohrschneider/Anuschka Tischer (Hrsg.): Dynamik durch Gewalt? Der dreißigjährige Krieg (1618-1648) als Faktor der Wandlungsprozesse des 17. Jahrhunderts. Münster 2018, S. 229-250, hier S. 235. 

[31] NLA 40 Slg Nr. 1889 Anweisung Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) zur Zahlung der vor Kurzem auf dem Landtag bewilligten Kontributionen (11.10.1636).

[32] Wohl erstmals: Ritter: Kontributionssystem, S. 214 und passim.

[33] Hierzu ausführlich: Kraus, Verwaltungspraktiken. Der für Braunschweig-Wolfenbüttel einschlägige Bestand erstreckt sich für die Zeit von 1630 bis 1648 in etwa auf die Archivalien NLA WO 40 Slg Nr. 1770-2265 und umfasst hunderte Stücke zur Erhebung und Verwaltung von Kontributionen. 

[34] Vgl. etwa: NLA WO, 40 Slg, Nr. 2231.

[35] Vgl. William B. Guthrie: The Later Thirty Years War. From the Battle of Wittstock to the Treaty of Westphalia, Westport u.a. 2003, S. 40-41; Astrid Ackermann: Die Versorgung als kriegsentscheidendes Machtmittel und die publizistische Wahrnehmung des Krieges. Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein. In: Andreas Rutz (Hrsg.): Krieg und Kriegserfahrung im Westen des Reiches 1568-1714. Göttingen 2016, S. 275-298, hier S. 289; Wilson, Dreißigjähriger Krieg, S, 726-728, wenn auch vor allem mit Blick auf die 1640er Jahre.

[36] Vgl. Markus Meumann: Einspruch und Widerstand bei militärischer Besetzung im 17. Jahrhundert. Komparatistische Überlegungen zur Kategorisierung einer Interessenbehauptung zwischen Recht und Gewalt. In: Cecilia Nubola/Andreas Würgler (Hrsg.). Operare la resistenza. Suppliche, gravamina e rivolte in Europa (secoli XV-XIX). Praktiken des Widerstandes. Suppliken, Gravamina und Revolten in Europa (15.-19. Jahrhundert). Bologna / Berlin 2006, S. 131-175, hier S. 167.

[37] Beispielsweise im Dezember 1636 zwischen Herzog August dem Jüngeren und dem schwedischen Feldmarschall Alexander Leslie (NLA WO 1 Alt 11 Nr. 119).

[38] Beispielsweise im August 1637 zwischen den Wolfenbüttelschen Landständen und dem schwedischen General Jakob King (NLA WO 1 Alt 11 Nr. 119).

[39] Beispielsweise zwischen dem Obristen Georg von Jarofsky und der Großvogt von Wolfenbüttel (NLA WO 1 Alt 11 Nr. 112, undatiert)

[40] So beispielsweise in der Verpflegungs-, Futter- und Soldordnung Kaiser Ferdinands III. vom 29. November 1640 [In: Josef J. Schmid (Hrsg.): Quellen zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges. Darmstadt 2009, S. 155-161, hier S. 161]: „Diese Verpflegung solle anfangen von Beziehung der Quartier, und länger nicht als 5 oder lengist auf 6 Monat continuieren“.

[41] Vgl. NLA WO 1 Alt Nr. 112 mit zahlreichen darin enthaltenen handschriftlichen Ordonnanzen, insbesondere für die Regimenter unter dem Kommando Herzog Georgs von Calenberg.

[42] Vgl. insbesondere NLA WO 40 Slg Nr. 2018 vom 30.12.1640. Dieses Mandat führt insgesamt drei vorhergehende Edikte dieser Art (vom 14.06.1636, 06.12.1637 und 28.02.1638) auf. Vgl. zudem etwa: NLA WO 40 Slg Nr. 1939.

[43] So sollten etwa die Straßen, Herbergen, Krüge und Schlagbäume kontrolliert werden, Verdächtige „mit der Nachjagt und Glockenschlagen von Dörffern zu Dörffern oder wo sie anzutreffen verfolgt“ und verhaftet werden (hier: NLA WO 40 Slg Nr. 1553 vom 07.10.1622). Vgl. beispielsweise auch NLA WO 40 Slg Nr. 1193 vom 08.05.1609.

[44] NLA WO 40 Slg. Nr. 1880, Anweisung Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) an seine Untertanen, marodierende Soldaten festzunehmen und an die Obrigkeit zu übergeben.

[45] Meumann, Gewalt und Gegengewalt. Die Ansicht, die Obrigkeit habe „der selbstorganisierten bewaffneten Gegenwehr […] skeptisch bis ablehnend gegenübergestanden“ (S. 147), wäre insofern zu differenzieren.

[46] Zu diesem gesamten Themenfeld demnächst grundlegend: Philip Haas: Der Druck der Obrigkeit. Frühneuzeitliche Herrschaft und Verwaltung mittels Amtsdrucken und Verordnungen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, Monografie, im Erscheinen.

[47] Vgl. Thomas Simon: Vom „materiellen“ zum „formellen“ Publikationsprinzip. Über den Wandel der Geltungsvoraussetzungen von Gesetzen im 18. und 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 30 (2008), S. 201-220. 

[48] NLA WO 40 Slg Nr. 1844, Anweisung Herzog Georgs von Braunschweig-Calenberg als Schwedischer General vom 29.10.1634.

[49] NLA WO 40 Slg Nr. 1924 vom 06.10.1637.

[50] NLA WO 40 Slg Nr. 2073 vom 04.12.1643 (für das Kreisheer): Die Kontribution müsse gemäß der „durch offenen Druck publicierten Ordinantz unauffhaltlich entrichtet und eingelieffert“ werden, „damit nicht nöthig seyn möge die militarische Execution, welche sonsten wider die Seumige auff Masse und Weise, wie im vorbesagter Ordinantz enthalten, gewißlich erfolgen wird“.

[51] NLA WO 1 Alt 11 Nr. 220, Schreiben des Obristen Ostringer an Herzog Georg von Braunschweig-Calenberg vom 13.03.1635.

[52] NLA WO 40 Slg Nr. 2081 vom 27.04.1644.

[53] NLA WO 40 Slg Nr. 2086 vom 22.06.1644.

[54] NLA WO 1 Alt 11 Nr. 220 Schreiben Jakob Kings an die Kanzler und Räte von Wolfenbüttel vom 20.02.1635.

[55] NLA WO 1 Alt 11 Nr. 112, Schreiben des Amtmanns von Greene an Herzog Friedrich Ulrich: „Er hat aber damit nicht contentiren laßen wollen; Besondern folgents tags eine starcke Parthey Reuter ans Ambt geschickt undt seine Verpflegung von den Ambts Unterthanen von jedem dörff absonderlich mit gewalt erpreßen undt die Bawermeister Jedes orths mit nacher Alfeldt [Leine] wegknehmen laßen“.

[56] NLA WO 40 Slg Nr. 2043 und Nr. 2045.

[57] NLA WO 40 Slg Nr. 2049 (Konzept): August der Jüngere bat „nicht allein [zur] erhaltung unsers Furstlichen respects, sondern auch zugleich zu wolfahrt und so hoch und lang gewunschte beruhigung Unserer bedrangten Lande und Leute, ihm in beibringung der geldmittel gehorsamblich an die Hande [zu] gehen. Den jeweiligen Amtmann wies er an, er solle nicht allein fur dich selbst und uff deinen credit ein stück gelds als innerhalb 2 wochen zuwege bringen, und Unß anhero lieffern, sondern auch Unsern dir zugeordneten ambtsschreiber, und andere vermogsahme ambtsdiener mittels zugemuthfuhrung obiger Ursachen, dahin bewegen […] in dießem notfall“ Kredite aufzunehmen und an ihn zu zahlen.

[58] Vgl. insbesondere Jürgen Schlumbohm: Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates? In: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), S. 647-663; Martin Dinges: Normsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozeß der „Sozialdisziplinierung“? In: Gerhard Jaritz (Hrsg.): Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Round-table-Gespräch Krems an der Donau 7. Oktober 1996. Wien 1997, S. 39-53. Schon zuvor Ernst Schubert: Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts. Neustadt a. d. A. 1983, hier S. 322-323: Demnach habe der Staat seine „Autorität in einer Fülle von Edikten aufs Spiel“ gesetzt, „von denen keines gehalten wurde“.

[59] Vgl. Haas, Mehr als Normativität. Für den Bereich der Policey hat Achim Landwehr auf die zahlreichen (nichtintendierten) Wirkungen von Verordnungen verwiesen und die Kategorie der „Implementation“ ins Spiel gebracht, die geeigneter sei als die der „Normdurchsetzung“, vgl. Achim Landwehr: Policey im Alltag. Die Implementation frühneuzeitlicher Policeyordnungen in Leonberg. Frankfurt a. M. 2000, insbesondere S. 3-5, direktes Zitat auf S. 5; ders.: Policey vor Ort. Die Implementation von Policeyordnungen in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. In: Karl Härter (Hrsg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft. Frankfurt a.M. 2000, S. 47-70; ders.: „Normdurchsetzung“ in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 48 (2000), S. 146-162. 


Empfohlene Zitierweise: Philip Haas: Die Ordnung des Krieges. Das Zusammenspiel militärischer und ziviler Verordnungen während der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges. Einleitung zur Edition. In: dreißigjähriger krieg online / thirty years‘ war online, hg. von Markus Meumann. Online-Ressource, URL: https://thirty-years-war-online.projekte.thulb.uni-jena.de/quellen/verordnungen/einleitung [Datum des Aufrufs in eckigen Klammern]).