Verordnungen

Kriege waren in der Frühen Neuzeit keine ordnungslosen Geschehnisse oder sollten dies zumindest nicht sein. Normative Texte wie Mandate, Ordonnanzen und Verordnungen demonstrieren den festen Willen der militärischen Befehlshaber und der zivilen Obrigkeit gleichermaßen, bewaffneten Auseinandersetzungen Struktur zu geben und sie zu ordnen. Diese Texte sollten das Verhalten der Soldaten ebenso regeln, wie deren Interaktion mit der Bevölkerung bei Durchmärschen und Einquartierungen. Dabei kam gerade im Dreißigjährigen Krieg der Versorgung ein besonderer Stellenwert zu: Angesichts von Armeen bislang unbekannter Größe war sie strukturell stets kritisch, zugleich hing von ihrer Gewährleistung das gewünschte Verhalten der Soldaten wesentlich ab. Weder ergingen Verordnungen einseitig, noch wurden sie einseitig vollzogen. Militärische Befehlshaber und territoriale oder lokale Obrigkeit einigten sich in Verhandlungen auf bestimmte Festlegungen und verzahnten ihre jeweiligen Verordnungen und ihre administrative Tätigkeit miteinander. Policeyliche Anordnungen und militärische Reglements sollten ineinandergreifen und arbeitsteilig vollzogen werden. So durften etwa Soldaten gegen zahlungssäumige Untertanen gewaltsam vorgehen, während diese gegen unbefugt plündernde Soldaten zur Waffe greifen sollten. Verordnungen waren folglich nicht allein normative Dokumente, sondern auch Ausdruck einer politisch-diplomatischen Übereinkunft, die fortwährend an die Gegebenheiten angepasst wurde und diese damit umgekehrt partiell widerspiegelt. Dies macht sie zu einer ebenso interessanten wie bislang unterschätzten Quellengattung (siehe dazu ausführlicher die Einleitung).

Die von Philip Haas, Archivrat am Niedersächsischen Landesarchiv Abteilung Wolfenbüttel, bearbeitete kleine Edition präsentiert zwei militärische und vier obrigkeitliche Verordnungen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und wirft damit ein Schlaglicht auf den eben skizzierten Zusammenhang. Bei den beiden von Feldherren erlassenen Texten handelt es sich um einen Artikelbrief (auch Kriegsartikel) König Gustav II. Adolfs von Schweden, den dieser im Jahre 1631, also bald nach seiner Landung auf dem deutschen Kriegsschauplatz, erließ (NLA WO 40 Slg Nr. 1791), und eine Verpflegungsordonnanz Herzog Georgs von Braunschweig-Calenberg als General des Niedersächsischen Reichskreises (NLA WO 40 Slg Nr. 1879). Beide Textsorten sind zentrale Gattungen militärischer Verordnungstätigkeit in dieser Zeit. Die vier anderen Verordnungen erließ Herzog August der Jüngere als Landesherr des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel in Reaktion auf und zur Bewältigung des Kriegsgeschehens. Drei Texte aus dem Jahre 1641 gehören zusammen. Bei zweien handelt es sich um sogenannte offene Schreiben, die sich an eine Öffentlichkeit in Form von Untertanen, Soldaten und Beamten richteten (NLA WO 40 Slg Nr. 2021 und Nr. 2022). Sie sind in zwei Ausfertigungsvarianten, nämlich als Aushang und als heftförmige Verleseexemplare überliefert. Wie der Name sagt, wurden erstere öffentlich ausgehängt, während letztere von den Amtleuten und Pfarrern öffentlich verlesen wurden. In ihnen gibt Herzog August Anweisungen zum Umgang mit den durchziehenden beziehungsweise einquartierten Soldaten. Hiermit korrespondiert ein geschlossenes Schreiben, das sogenannte Ausschreiben, das sich allein an die Beamten richtete und ihnen Anweisung gab, die beiden offenen Schreiben zu publizieren und für deren Einhaltung Sorge zu tragen (NLA WO 40 Slg Nr. 2024). Mit dem Zusammenspiel von offenen und geschlossenen Schreiben ist das Grundschema obrigkeitlicher Kommunikation mittels Amtsdrucken berührt. Dass unterhalb der gedruckten und landesweit ergangenen Texte noch lokal begrenzte Verordnungen existierten, die handschriftlich ausgefertigt wurden, zeigt das letzte Beispiel (NLA WO 40 Slg Nr. 1917). Es handelt sich dabei um eine sogenannte Assignation. Nachdem Feld- und Landesherr sich auf bestimmte Geld- oder Nahrungszuteilungen an die Soldaten verständigt haben, wie sie grundsätzlich in den Verpflegungsordonnanzen festgelegt sind, weist der Landesherr seine Verwaltungseinheiten an, bestimmte Quoten an Abgaben zu erbringen. Die Assignation richtet sich an Stadtoldendorf und Umgebung und soll die Versorgung der Kompanie des Rittmeisters von Bennigsen gewährleisten.

Die Verordnungen selbst sowie die für ihre Kontextualisierung in der Einleitung verwendeten Akten befinden sich im Niedersächsischen Landesarchiv Abteilung Wolfenbüttel. Die Veröffentlichung der Digitalisate erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Archivs.