Prosopographie

Biographische bzw. prosopographische Zugänge zählen seit langem zu den bevorzugten historiographischen Annäherungsweisen an den Dreißigjährigen Krieg. Standen dabei lange Zeit vor allem Porträts einzelner Fürsten und Heerführer wie Wallenstein im Vordergrund, hat sich die neuere Forschung unter dem Einfluss alltags- und kulturgeschichtlicher Fragestellungen seit den 1990er Jahren im Zuge des neuerwachten Interesses für autobiographische Quellen („Selbstzeugnisse“) überwiegend den zivilen Beobachtern und Leidtragenden des Krieges sowie vereinzelt auch seinen militärischen Teilnehmern zugewandt, wobei hier das Augenmerk meist hierarchisch eher untergeordneten Akteuren wie dem von Jan Peters als Peter Hagendorf identifizierten „Söldner“ galt.[1]

So interessant diese Perspektiven von außen bzw. „unten“ sind und so sehr sie die Forschung in den vergangenen Jahren unter dem Aspekt der Wahrnehmung und Erfahrung des Krieges inspiriert haben, bedurfte es für die Führung und Aufrechterhaltung des Krieges doch auch einer Gruppe von Akteuren, die nicht nur die militärische Führung der am Krieg beteiligten Armeen übernahmen, sondern häufig zugleich auch für die Aufbringung und den Unterhalt dieser Truppen sorgten. Geoffrey Parker schätzt die Zahl dieser Kriegs- oder Heeresunternehmer in seiner klassischen Darstellung des Dreißigjährigen Krieges auf rund 1500 Personen während des gesamten Krieges, von denen ca. 100 bis 300 gleichzeitig agiert hätten.[2]

Abgesehen von Parker, hat sich die historische Forschung lange Zeit – mit Ausnahme des vermeintlich paradigmatischen Beispiels Wallenstein – kaum für die Aktivitäten und das soziale Profil dieser Kriegsunternehmer interessiert.[3] Erst seit wenigen Jahren gibt es nun Ansätze, die Rolle „privaten“ Unternehmertums für die Finanzierung des Krieges sowie die Aufbringung und den Unterhalt der in diesem agierenden Truppen systematisch in den Blick zu nehmen.[4] Allerdings befinden sich diese noch in den Anfängen; so bestehen insbesondere hinsichtlich der quantitativen wie auch der sozialen und biographischen Konturen dieser Gruppe nur sehr vage Vorstellungen. Dies gilt insbesondere für die Frage, inwieweit diese Kriegsunternehmer personell mit den führenden Offizieren deckungsgleich waren bzw. inwieweit Offiziere und Heerführer zugleich als Kriegsunternehmer tätig waren. Das hier geplante Personenlexikon der Heerführer des Dreißigjährigen Krieges versteht sich daher als ein wichtiger Beitrag, diese Konzepte einer „Kapitalisierung des Krieges“ bzw. einer „Military Devolution“ prosopographisch zu unterfüttern und somit empirisch wie auch konzeptionell weiterzuentwickeln.

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[1] Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, hrsg. von Jan Peters, Berlin 1993.

[2] Geoffrey Parker, Der Dreißigjährige Krieg, Darmstadt 1987, S. 286.

[3] Vgl. etwa Barbara Stadler, Pappenheim und die Zeit des Dreissigjährigen Krieges, Winterthur 1991; Michael Kaiser, Politik und Kriegsführung. Maximilian von Bayern, Tilly und die Katholische Liga im Dreißigjährigen Krieg, Münster 1999.

[4] Vgl. Tagungsbericht Die Kapitalisierung des Krieges – Kriegsunternehmer in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. 18.03.2009-20.03.2009, Berlin, in: H-Soz-u-Kult, 18.04.2009 ( der Tagungsband wird in Kürze im LIT-Verlag erscheinen) sowie ebenfalls in Kürze: David Parrott, The „Military Devolution“. Armies and Politics in Early Modern Europe.