Briefe aus der Landgrafschaft Hessen-Kassel im Jahr 1625: Forschungsperspektiven zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs

Einführung von Silke Törpsch

Am 21. Juli 1625 hielten Soldaten im Dienst der zur Landgrafschaft Hessen-Kassel gehörenden Stadt Schmalkalden den Boten Hans Walther an, konfiszierten die bei ihm gefundene Habe und übergaben diese dem Stadtschultheißen.[1] Im Besitz des Boten befanden sich 29 Briefe und ein Botenpass. Die Briefe sind zwischen dem 14. und dem 21. Juli 1625 von in Schmalkalden lebenden Frauen und Männern geschrieben und Walther übergeben worden, damit dieser sie in das Feldlager des Regiments des katholisch-ligistischen Oberst Otto Friedrich von Schönberg nach Altendorf in Westfalen trage. Schönberg hatte dem Boten in seinem Quartier in Altendorf auch den Pass ausgestellt. Einer der dem Boten abgenommenen Briefe war vordem schon im Feldlager Altendorf geschrieben und an eine Empfängerin in Fambach bei Schmalkalden adressiert worden; vermutlich hatte Hans Walther, der den Botengang zwischen Schmalkalden und Altenburg schon des Öfteren unternommen hatte, diesen Brief nicht zustellen können oder wollen, so dass er ihn nun – gemeinsam mit den Antwortschreiben – zurück transportierte. Kurze Zeit später, um den 20. August 1625, ereignete sich im hessischen Territorium ein ähnlicher Vorfall. In Allendorf/Werra wurden bei einem Boten erneut Schriftstücke gefunden: 28 Briefe von Frauen und Männern aus den Städten Allendorf, Eschwege und Witzenhausen an ligistische Regimenter im Feldlager um Bielefeld und Herford. Auch unter diesen Briefen befanden sich zwei, die der Bote ursprünglich schon aus dem Feldlager in Westfalen mitgebracht hatte sowie ein Brief, der in Franken geschrieben und an einen Soldaten im Eschweger Quartier gerichtet war.[2]

Den Briefwechseln vorausgegangen war der für lokale Gemeinschaften zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs beständige Normalfall: die Einquartierung von Soldaten. Johann Tserclaes Tilly, Feldherr der Armee der katholischen Liga, hatte, unter Berufung auf das Reichsrecht, dem zufolge Hessen als Reichsstand der kaiserlichen Armee Durchzug, Quartier und Verpflegung schuldig sei, die Einquartierung gegen den Willen des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel durchgesetzt. Vom Herbst 1623 bis zum Frühsommer 1625 waren in Schmalkalden die Leibkompagnie des Oberst Otto Friedrich von Schönberg einquartiert, in Witzenhausen, Eschwege und Allendorf die Regimenter Schönberg, Johann Joachim Wahl und Wolf Dietrich Truchseß von Wetzfelden.[3]

Die verdächtige Angelegenheit um die gefangen genommenen Boten und die bei ihnen konfiszierten Briefe wurde zunächst durch lokale Beamte untersucht, von den Räten der Landgrafschaft beurteilt und schließlich dem Landgrafen zur Entscheidung vorgelegt.[4] Das Verfolgungsinteresse richtete sich vorrangig darauf, „Verräterei“ und „Unzucht“ der Untertanen und Untertaninnen aufzuzeigen. Für Wolfgang Günther, Generalaudienzierer und Generalgerichtsschultheiß des Landgrafen Moritz, war es völlig klar, dass „ohne Zweiuel hinter dem botten [Hans Walther] mehr stecke“.[5] Landgraf Moritz schloss sich dieser Einschätzung an und brachte dies in seinem Reskript knapp und temperamentvoll zum Ausdruck: Man solle dem „meineidigen Briefftreger“ nicht mehr nur das Szenario der Folter vor Augen stellen, sondern die Tortur endlich ausführen, damit die Wahrheit an den Tag komme und „solch gifft purgirt und ausgefegt werde“.[6] Stein des Anstoßes war die in einem Brief notierte Aussage, man könne der Feder nicht trauen, weshalb der Bote die Nachricht mündlich überbringe.[7] Die Amtleute und der Landesherr versuchten, aus dieser und weiteren kurzen, in den Briefen eingestreuten Nachrichten, einen allumfassenden (Landes-)Verrat der Schmalkaldischen Untertanen zu konstruieren. Diese hätten sich über anstehende Werbungen in Hessen ausgetauscht und zudem den „Beyerischen“ – also aus Sicht des Landesfürsten den Feinden – Glück und Erfolg gewünscht.[8] Die zweite Obsession der Obrigkeiten waren die von Frauen an ihre Ehemänner, Freunde und Verlobten in den Feldlagern geschriebenen Briefe. Die schmalkaldischen Beamten sahen „leicht fertige dirnen“ am Werk und den Tatbestand der „straffbare[n] unzüchtige[n] sachen“ gegeben,[9] während Landgraf Moritz, bezüglich des gleichgelagerten Allendorfer Falles, konstatierte: „Es mag damit wohl ein allgemeiner Landesbrauch sein, auch wäre es ein geringes, wenn nur die Weibsbilder hurten, wo nicht die Mannsbilder gröbere Hurerei, nämlich Verräterei mit darunter übten“.[10] Ein formaler Prozess wurde letztendlich nicht geführt, so dass es über den Ausgang der Angelegenheit nur fragmentarische Nachrichten gibt.[11] Dass der Bote Hans Walther Ende August 1625 schon wieder als Empfänger von Botenlohn für Aufträge des Amtmannes von Schmalkalden zu finden ist, lässt darauf schließen, dass Strafandrohungen nicht oder nicht in jedem Fall umgesetzt worden waren.[12]

Wer schreibt? Frühneuzeitliche Kommunikationspraxis

Das Briefkorpus besteht aus 57 Briefen, die etwa zur Hälfte von Männern und Frauen verfasst wurden. Fast die Hälfte der Adressaten (und Adressatinnen) in den Feldlagern stammte ursprünglich aus den hessischen Städten, in denen die kaiserliche Armee einquartiert gewesen war; sie hatten sich offenkundig für die Tillyschen Regimenter anwerben lassen.[13] Die Briefe ermöglichen einen exemplarischen Blick auf die spezifisch frühneuzeitliche Praxis brief- und botenvermittelter Kommunikation, die nicht in der Dyade Sender-Empfänger aufgeht.[14] Den Briefen wurden Zettel beigefügt, und es wurden Postskripte vermerkt; Briefe wurden in Gemeinschaft verfasst und waren an mehrere Empfänger und Empfängerinnen gerichtet; Grüße und Empfehlungen multiplizierten die involvierten Personen auf beiden Seiten erneut. Briefe wurden – im Auftrag – von Dritten verfasst und vorgelesen sowie von Dritten an die Adressatin bzw. den Adressaten vermittelt. Andere Briefe wurden abgefangen und geöffnet, und dass das Papier keine (Kommunikations-)Grenze darstellte, ist daran zu erkennen, dass zusätzlich dem Boten auch mündliche Nachrichten zur Übermittlung aufgetragen wurden. Die Personen(-gruppen), die in diesem Geflecht „botenvermittelter Abwesenheitskommunikation“[15] für uns heute sichtbar werden, sind nach Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Beruf und sozialer Position heterogen.[16] So schreibt z.B. Katarin Füllgrabe aus Allendorf an ihren „lieben Man“ Nikolaus Kasselman; Franz Melbach aus Eschwege schreibt an den „Ehr[n] unndt Manhafften“ Peter Klein und lässt Jorge Jagenhirsch, den „lange[n] Adam“, Christopffel Eser sowie „alle rech[t]schaffene kerlis die nach mihr fragen“ von „mihr vn[d] vnserm gantzen hausgesinge [Hausgesinde]“ grüßen; Catharina Neusessen aus Wahlhausen schreibt an ihre Schwester Irmgart Neusessen im „tyllischen leger“; „Jungfraw“ Maria Braunß aus Schmalkalden an Hans Thomas von Kalbach im Altendorfer Quartier, der auch einen Brief von Hans Sebert, Spielmann und Bürger in Schmalkalden, erhält. Gercke Hoffmeyer, Schiffer in Eschwege, schreibt an seine Tochter Maria Hoffmeyer im Feldlager; Magret, „deß Moßbachers magdt“, an den „hertz Allerliebsten Bruder Joseph dem Spanier“; der Witzenhausener Stadtschreiber Melchior Schellenberger an den Musterschreiber Johannes Mösel im Regiment Wahl. Und Hans Brand schreibt im Namen des Allendorfer Bürgers Claus Görges, dessen Tochter und dessen Sohn an Hanne Pfetter im Feldlager eine Nachricht, die für Johannes Sbrickel bestimmt ist. Die Briefe überbrückten den Raum, den die (wahrscheinlich übereilte) Abreise der einquartierten Soldaten und der mit ihnen fortgereisten Personen geschaffen hatte. „[I]ch mögts wohl leiden, das ein kleines vögellein zwischen mir undt Euch hin undt wieder flög, undt bericht einem dem andern die bottschaft“, schreibt eine namentlich nicht bekannte Frau an Hanß Merdt und berichtet über Differenzen mit den „jungen Gesellen“ in der Nachbarschaft wegen der andauernden Kontakte zu den ehedem einquartierten „Reutern“, über Werbungen von Soldaten in der Stadt, dass „wein und brodt gnugk zu bekhomen“ seien, und sie schließt: „[W]olle Gott, ihr sollte[t] allemahl mit mir über meines Vattern Tisch eßen.“[17] Die Inhalte der Briefe sind ebenso heterogen wie die Interessen der Kommunizierenden und deren Erwartungen an das jeweilige Gegenüber. Grob gesagt geht es um das Management von Beziehungen und Ressourcen; um das Versichern von Solidarität, Anwesenheit und Nähe; die Balance (reziproker) Verpflichtungen und die Vergewisserung (aber auch den Entzug) der Teilhabe an geteilten emotionalen, sozialen und ökonomischen Ressourcen.

Forschungsperspektiven

Im folgenden Teil Einführung werde ich ausgewählte Forschungsperspektiven und -desiderata in der Historiographie des Dreißigjährigen Kriegs skizzieren, die in Konnex zu den edierten Briefen stehen. Diese verstehen sich als forschungspragmatische Anregungen – nicht zuletzt mit der Absicht der Destabilisierung historiographischer Lesarten, Interpretationsmodi und Erkenntnisweisen. In den Deutungen der hessischen Landesbeamten kristallisierte sich ein Narrativ, das die Untertaninnen und Untertanen als „Huren“ und „Verräter“ kriminalisierte, und ähnlich sterotypisierende Unterschichtenkonzeptionen bestimmen häufig auch die gedanklichen Voraussetzungen und Narrative der modernen Historiographie (und Erinnerungskultur) zum Dreißigjährigen Krieg. Die „Lagerdirne“ und der „Söldner“ sind hier die zentralen topischen Figuren, die Sinnkonstruktionen und Darstellungsmodi in der Geschichte des Krieges plausibilisieren und Zweierlei erklären: Dass die, die den Krieg aktiv bestritten, schon verloren hatten, bevor sie zu den Musterplätzen und Feldlagern aufbrachen und dass die historische Entstehung und Existenz der modernen stehenden, disziplinierten und bezahlten Heere sowie des staatlichen Gewaltmonopols als kausale Notwendigkeit aus der Brutalität der kommerzialisierten und privatisierten Kriegsfurie legitimiert und verteidigt werden muss. Wenn die in den Briefen materialisierten Beobachtungen, Handlungen und Konstellationen jedoch mehr sind – mehr sind als Momentaufnahmen und Realitätssplitter der (Kriegs-)Nöte und Erfahrungen der kleinen Leute –, dann, so meine These, lassen sich von hier aus historiographische Konzepte auf ihre ideologischen Vorannahmen und logischen Folgen befragen. Die Historiographie tritt nach wie vor an, den Dreißigjährigen Krieg zu erklären: in seinen Ursachen, seiner Bedeutung als Wegbereiter einer „gezähmten Bellona“ und des modernen Staates, seiner Täter-Opfer-Konstellation und als geschlossene Krisen- und Katastrophenerfahrung. Neuere kulturwissenschaftliche Perspektiven und Theoriekonzepte finden hier so gut wie keine Berücksichtigung. Bezüglich unseres Wissens über Krieg in der Geschichte im Allgemeinen und über den Dreißigjährigen Krieg im Besonderen ist dies in doppelter Hinsicht fatal. Zum einen bleibt die Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs an Narrative gebunden, die kausale und funktionale Erklärungen liefern, welche längst ihre Überzeugungskraft verloren haben sollten. Und zum anderen konserviert die fehlende kulturwissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema einen Kriegsbegriff bzw. eine Definition von Krieg, die dem reduktionistischen Verständnis von Krieg in der Militärgeschichte verhaftet bleibt, die an Analysekategorien vom Beginn des 19. Jahrhunderts gebunden ist, und die somit einer Historisierung von Krieg im Weg steht, die mehr will als die Beschreibung des Wandels von Kriegsformen und –funktionen.[18] Zu den methodischen Ansätzen, die das Erkenntnisobjekt Krieg in „andere“, „fremde“ und „unpassende“ Kontexte[19] verschieben können, gehören sicher zunächst Perspektiven und Theoriekonstruktion, die die Epoche der Frühen Neuzeit generell rekonfigurieren; die den Pfad substantieller Ansichten und der Gewissheit, man könne die Frühe Neuzeit einer kohärenten und geschlossenen Moderne- und Zivilisierungserzählung einverleiben, verlassen und hingegen Konzepte von Zirkulation, Austausch und Mobilität präferieren. Cultural Mobility gilt mittlerweile als eines der Schlüsselkonzepte für das Verständnis vergangener und gegenwärtiger Gesellschaften; unhomeliness von Objekten, Praktiken und Menschen als wesentliche Theoriefigur.[20] Neben Mobilität erzeugen zum einen Konzepte von agency und zum anderen auf Assoziationen von Akteurinnen/Akteuren, Symbolen und Artefakten gerichtete Erkenntnisweisen völlig neue Geschichtsbilder. Bruno Latours Postulat „den Akteuren folgen“, ihren „wilden Innovationen hinterherkommen“, ihnen die Fähigkeit zurückgeben, ihre „eigene Theorie darüber aufzustellen, woraus das Soziale besteht“,[21] umschreibt in diesem Sinne ein Forschungsprogramm, das die epistemologischen Voraussetzungen der (historiographischen) Wissensproduktion auf völlig neue Füße stellt. Marilyn Stratherns sozialanthropologische Agenda „route connections through persons“ führt – vom Konzeptionellen her – zu empirischen Arbeiten, die Kontext, Kontingenz und Komplexität privilegieren und mithin die Einsicht in die Historizität von Praktiken und Beziehungen zum unhintergehbaren methodischen Anker machen.[22] Was hieße dies nun für die geschichtswissenschaftliche Erforschung des Dreißigjährigen Kriegs? Den Dreißigjährigen Krieg mit kulturwissenschaftlichen tools und in kritischer Absicht zu untersuchen heißt zunächst, den Krieg aus dichotomischen Erkenntnisweisen und Analysekategorien herauszulösen, wie sie in den Begriffskonstellationen Militär-Gesellschaft, militärisch-zivil, fremd-einheimisch, privat-öffentlich/staatlich, Täter-Opfer, Zivilisten-Kombattanten, Söldner-Soldat angelegt sind, die nach wie vor mit erstaunlicher Zählebigkeit die Forschungsagenden bestimmen. Wenn Krieg als Gegenstand der Kulturwissenschaft ernst genommen wird, dann geht es um eine über den militärgeschichtlichen Konnex Krieg = Kampf hinausgehende Analyse von Praxis und ihrer materialen Voraussetzungen; es geht darum, apriorische Annahmen über das Wesen von Krieg und der an ihm beteiligten Akteure/Akteurinnen zu vermeiden und dem Pfad zu folgen (Bruno Latour), auf dem Praxisformen entstehen und in Erscheinung treten lassen, was Krieg ist, dessen Existenz sichern und mit Sinn ausstatten. Das hier edierte Briefkorpus ist für eine empirische Anwendung des von mir knapp skizzierten kulturwissenschaftlichen Theorieansatzes zur Erforschung des Dreißigjährigen Kriegs prädestiniert, da sich hier exemplarisch der Versuch unternehmen lässt, Sphären aufeinander zu beziehen, die bisher immer getrennt gedacht wurden. Ich möchte dies im Folgenden anhand dreier Handlungskontexte bzw. Intensitätszonen plausibilisieren und in Kürze einige wesentliche Forschungsfragen entwerfen. Diese Praxisfelder sind 1. die soldatische Praxis bzw. das „Amt“ des Soldaten; 2. Einquartierungen als Interaktionszonen und 3. die martial ethic[23] des 17. Jahrhunderts.

1. Die soldatische Praxis bzw. das „Amt“ des Soldaten

Die soldatische Praxis ist einer der unerforschtesten Aspekte des Dreißigjährigen Kriegs. Wenn die geschichtswissenschaftliche Forschung Soldaten im Dreißigjährigen Krieg thematisiert, dann kategorisiert sie diese a priori als „Söldner“. Söldner evozieren Bilder des Abscheus, der Verachtung, des Entmenschlichten. Die Soldaten des 16. und 17. Jahrhunderts seien „Söldner“, die „latent bereits vorhandene Gewaltneigungen oder die Kompensation existentieller Belastungen und Bedrohungen artikulierten.“[24] Die „Lohnsoldaten-Haufen“ des 17. Jahrhunderts seien „Deklassierte, Hergelaufene und Verzweifelte unterschiedlicher sozialer Herkunft“,[25] die „frühneuzeitlichen Söldnerheere“ hätten sich aus einem Reservoir Überzähliger, nirgendwo Vermisster oder im Zivillieben wirklich Gebrauchter rekrutiert.[26] Insbesondere im Dreißigjährigen Krieg sei das „Auftreten von Söldnern häufig mit dem besonders exzessiven Gebrauch von Gewalt“ verbunden gewesen.[27] „Söldner“ ist eine rhetorische Figur aus dem Repertoire der Feindbildkonstruktion; die Herausvergrößerung essentialistisch und deterministisch gedachter Gewaltdispositionen und Männlichkeitsbilder über den Söldnertopos leistet sowohl der Skandalisierung als auch der (medialen) Dramatisierung von Gefühlslagen in Bezug auf Krieg Vorschub. Je stärker die „Söldner“ des Dreißigjährigen Kriegs Passepartouts gegenwärtiger wissenschaftlicher und medialer Kriegsdiskurse sind, die illegitime Kriegsgewalt und Grausamkeit (vor allem auf dem afrikanischen Kontinent seit den 1960er Jahren) mit Söldnerpraktiken, also der Kapitalisierung und Privatisierung von Krieg sowie der Erosion staatlicher Strukturen, konnotieren, umso wirklichkeitsnäher und plausibler scheinen sie wiederum die Vergangenheit zu beschreiben. Nicht alle neueren Arbeiten zum Krieg in der Frühen Neuzeit nutzen den Begriff „Söldner“ in einem pejorativen bzw. polemischen Sinne; meist entwerfen diese Arbeiten gleichwohl ein frühneuzeitliches (und spätmittelalterliches) „Söldnerwesen“ mit „Söldnerverbänden“ als „Gewaltgemeinschaften“ sowie eine Lebenswelt des „Söldners“ respektive des Militärischen in Abgrenzung zum Zivilen. Ist diese Redeweise vom Soldaten des Dreißigjährigen Kriegs als „Söldner“ und Außenseiter einerseits und von homogenen militärisch-zivilen Parallelgesellschaften andererseits plausibel? Hält das Kriegsbild, das hier gezeichnet wird, dass nämlich plündernde und mordende mobile Außenseiter auf immobile und friedfertige lokale Gemeinschaften getroffen seien,[28] einer Überprüfung stand, wenn – vom Konzeptionellen her – der im Kriegsdiskurs universelle Gegensatz Militär-Zivil zugunsten von Fragen nach historisch und kulturell verfügbaren Handlungsrepertoires abgelöst wird; wenn die historiographische Suchbewegung von der Einsicht in die Komplexität frühneuzeitlicher Gesellschaften sowie deren spezifische Fähigkeiten interpretationsoffener Grenzkonstruktionen und -überschreitungen angeleitet wird? Die Begrifflichkeit des „Söldners“ ist mit Kriegs- und Gewaltkonzepten der Moderne aufgeladen. Eine angemessene Analyseform müsste den komplexen Bedeutungsgehalt des Soldatischen und Kriegerischen radikal historisieren, den „Söldnern“ den Reiz des Exotischen nehmen und soldatische Arbeit in ihren wechselnden ökonomischen, moralischen und kulturellen Bedeutungsaufladungen als verfügbare Option in Möglichkeitsräumen historisieren.[29] Unentbehrlich sind Methoden, die es ermöglichen, den Dreißigjährigen Kriegs als dynamischen Raum zu beobachten und zu beschreiben, in dem Interessen, Motive, Möglichkeiten und Problemlagen mit Ressourcenökonomien, Marktanreizen und Wertvorstellungen interagieren und sich wechselseitig verschränken. Weitgehend unerforscht und unverstanden ist der Dreißigjährige Krieg in seiner historisch spezifischen Marktsituation und -konstellation. Für kulturwissenschaftliche Perspektiven eröffnen sich hier zahlreiche Forschungsfelder, die geeignet sind, den Dreißigjährigen Krieg zu entprovinzialisieren. Die Entscheidung für Männer, Kriegsdienste anzunehmen (und für Frauen, im kriegsaffinen Umfeld zu leben), den Kriegsdienst wieder aufzugeben, den Kriegsherrn zu wechseln, ist funktionalistisch mit dem Verweis auf Armut, Gewaltneigung, Abenteuer oder Flucht aus geregelten sozialen Beziehungen nicht zu erklären. Das Thema ist viel komplexer. Diese Entscheidungen fallen in einem spezifischen Netz sozialer Beziehungen und wechselseitiger Abhängigkeiten; in lokalen Netzwerken und Kommunikationsstrukturen, die in überregionale und globale Kontexte eingebettet sind. Zu fragen ist nach den komplexen, historisch spezifischen Anreiz- und Belohnungssystemen – die freilich immer auch mit Klagen über Habsucht, Eigennutz und Unmoral verbunden waren. Zu fragen ist nach der Wissensordnung, die (seit Luther) den „Amts“-Charakter des Soldaten propagiert, der seiner Gehorsamspflicht nachkomme, wenn er der Obrigkeit in den „rechten“ Krieg folge; die den Soldaten (und seine Gewalt) als Zuchtrute Gottes imaginiert und von hier aus Leiden und Gewalt des Kriegs in einen apokalyptischen Rahmen versetzt und in die Kommunikation Gottes mit den Menschen verlagert; die aber im Soldaten auch eine Kippfigur sieht, die als „Person“ im Krieg die Möglichkeit bekomme, Missbrauch zu treiben.[30] Zu fragen ist auch nach den Formen der Kapitalisierung von Krieg, Gewalt und Körpern, deren kontextabhängigen Bewertungen, Bedeutungsaufladungen sowie kreativen und pragmatischen Adaptionsprozessen, den Werte- und Symboldiskursen in Bezug auf Arbeit und Handeln im Krieg. Soll man vom Krieg leben können? Darf man die eigene Situation auf Kosten anderer verbessern? Antworten auf diese Fragen sind vielgestaltig und nur kontextabhängig zu haben. „Soldat“ lässt sich im Dreißigjährigen Krieg nicht vereinheitlichend definieren; der Soldat ist weder Stand noch Profession im modernen Sinne, sondern kann nur durch die ihn konstituierende relationale Beziehungslogik beschrieben werden, durch die er in vielfältige Hierarchien eingebunden ist. Aus Sicht der frühneuzeitlichen (Kriegs-)Praxis können Soldaten auch nicht maßgeblich über die Funktion der Gewalt- und Kampfausübung definiert werden; zu weitgefasst sind die – kommunikativen, ökonomischen und sozialen – Praktiken, die affinen Felder, die den Kriegsraum konstituieren und somit den Krieg als Gewalt-Ereignis überschreiten.[31] Auch die einfachen Soldaten gingen nicht nur wegen der Subsistenzsicherung bzw. wegen des Soldes in den Krieg, sondern – ebenso wie die adligen Eliten – auch aus Berufung, aus Verpflichtung und im Rahmen der ubiquitären Struktur frühneuzeitlicher Dienstverhältnisse. Religion, Ehre, Loyalität und Geld, das legen neuere Forschungsergebnisse nahe, sind hier gleichzeitig existierende Motivationsfaktoren.[32] Die Formen der Rekrutierung (bzw. des Anschlusses an das mobile Kriegsumfeld) waren dabei ebenso vielfältig wie die Erfahrungen, die Soldaten machten, die sozialen Positionen, die sie besetzten, die Verbindungen, die sie knüpften, und die Art und Weise, in der sie existierende Dinge nutzten, um das eigene Leben zu gestalten und um neue Ordnungen – neue Gewinner und neue Verlierer – entstehen zu lassen.

2. Einquartierungen / Haushaltsökonomien

Einquartierungen waren im Dreißigjährigen Krieg einerseits ubiquitäre Ereignisse mit wiederkehrenden Verlaufs- und Konfliktmustern, andererseits trafen sie aber auch auf variabel konkurrierende Herrschaftsräume und –ansprüche sowie lokal spezifische ökonomische, konfessionelle, soziale und kulturelle Machtbalancen, so dass jede Einquartierung ihre eigene Erzählung verlangt.[33] Einquartierungen schufen sowohl Räume volatiler Gewalt, materiellen Verlusts, sozialer Entfremdung und Unsicherheit als auch Interaktionszonen mit funktionalen Sozialbeziehungen, die durch Kommunikation, Kooperation und ökonomische Transaktionen geprägt waren. Wenn auf der Analyseebene Einquartierungssituationen vornehmlich als andauernde Katastrophe für die lokalen Gemeinschaften beschrieben und mit Rechtlosigkeit und Terror gleichgesetzt werden, dann fehlt hier der konzeptuelle Raum für eine Methodik, die die Vielfalt, Kontingenz und Fluidität unterschiedlichster Interessen und Optionen, die Spielräume lokaler Interpretationen – das Nebeneinander von Kooperation und Konflikt, von Gewalt und Konsens – zulässt. Die strikte Trennung in einen Kriegsstand und einen Hausstand ist vor dem 18. Jahrhundert nicht vollzogen worden.[34] Im Dreißigjährigen Krieg lebten die (einquartierten) Soldaten in der gleichen Welt wie die sie aufnehmenden Gastgeber und Gastgeberinnen, und diese (gesamt-)gesellschaftlichen Relationen müssen historische Forschungen sichtbar machen. Jüngst ist festgestellt worden, dass im juristischen Diskurs der Frühen Neuzeit die militärische Einquartierung ebenso wie das öffentliche Gasthaus im Rahmen des Konzepts der Gastfreundschaft verhandelt worden sind. Weder Macht noch Gewalt noch Bezahlung mit Geld hätten dazu geführt, eine Situation nicht als gastliche zu verstehen.[35] Diesen Hinweis aufzunehmen heißt, Haushalte in ihrem Modellcharakter für die gesellschaftliche Organisation des Militärischen und in ihren Funktionalitäten für die Kriegspraxis zu untersuchen: den Umgang der Haushalte mit Ressourcen im Rahmen von Beziehungslogiken und Ökonomien und deren Fähigkeiten, das Fremde (und auch das Feindliche) zuzulassen und auszuhalten.[36] Die Briefe aus Schmalkalden, Allendorf, Eschwege und Witzenhausen halten hier auffallende Einsichten parat. Dass sie an Ehemänner, Freunde, Nachbarn, Geschäftspartner, Bekannte, Töchter, Schwestern, Geliebte und Verwandte in den Feldlagern der kaiserlichen Armee gerichtet sind, zeigt, dass der erzwungene physische Kontakt nicht per se eine Grenze zwischen einer friedlichen sesshaften und einer gewalttätigen mobilen Gesellschaft perpetuierte, sondern dass der Umgang mit den „frembden, ungebetenen Gästen“[37] bzw. das Management von Diversität die Grenze – interpretationsoffen – in Mehrdeutigkeiten, Grauzonen und Interpretationsspielräume verflüssigen konnte.[38] Diese Grauzonen in den Existenzweisen lassen auch Aufschlüsse über die Legitimität der Beteiligung am Krieg als Dienstleistungs-, Arbeits-, und Warenmarkt zu; sie berühren die Frage, was im eigenen Kreis toleriert wurde und was nicht, welche Positionen Männer und Frauen besetzen wollten und welche nicht. Die Briefe zeigen, dass für die Soldaten kooperative oder mindestens konsensuale Kontakte zu den Haushalten notwendig waren, um am Kriegsmarkt (weiterhin) erfolgreich partizipieren zu können; Kontakte sind Ressourcen, die ein größeres Kommunikationsnetzwerk organisierten und Unsicherheit verhindern halfen:[39] man konnte wieder zurückkehren oder eine vertraute Person nachholen, und ganz offensichtlich gehörte es zu den regulären Erfahrungen von Soldaten im Kriegsdienst, auf ein funktionierendes und vertrautes Umfeld von Verwandten, Freunden, Schulkameraden treffen zu können. Frühneuzeitliche Haushalte lassen sich als „affective spaces“ beschreiben.[40] Hier erlangten Konzepte von Gender, Autorität, Verwandtschaft, Arbeit und Mobilität in einem Netzwerk aus Symbolen und Handlungsketten Bedeutung und verschränkten sich mit Politik. Wie die (emotionale) Dynamik von Haushalten Krieg in der frühneuzeitlichen Gesellschaft Sinn verlieh und wie durch soziale Beziehungen, durch Abhängigkeiten und Dienstverhältnisse, die Praxis des Kriegsdienstes gesteuert wurde, ist ein offenes, nahezu unbestelltes Forschungsfeld.

3. Martial Ethic

Die Frage nach der martial ethic des 17. Jahrhunderts soll genutzt werden, um den Krieg im 17. Jahrhundert über gesellschaftliche Verwebungen und kulturelle Kreuzungspunkte affiner Repertoires und Symbole zu historisieren.[41] Im Rahmen eines solchen Ansatzes wären Militär und Gesellschaft nicht a priori als Parallelgesellschaften zu betrachten, sondern innerhalb eines analytischen Rahmens zu untersuchen. Die Kontexte und Handlungsfelder, die eine solche Suchbewegung anleiten können, finden sich unübersehbar in der Symbolik und dem Gebrauch von Waffen, in den männlichen Ehr- und Statusvorstellungen sowie der Bedeutung von Mobilität und des Denkens in Marktmechanismen. Ann Tlusty hat jüngst festgestellt, dass es einen fundamentalen Bias gibt zwischen der Sichtweise der Historiographie, die der frühneuzeitlichen Stadtbevölkerung attestiert, sie sei entmilitarisiert, auf friedliche ökonomische Interessen fokussiert und durch zunehmende Disziplinierung durch die Obrigkeiten gekennzeichnet gewesen, und der Explosion einer martial culture, die die Städte im 16. und 17. Jahrhundert charakterisierte.[42] Im Kontext des Milizsystems zur militärischen Verteidigung waren auch im 17. Jahrhundert – zumindest theoretisch – alle Bürger bzw. Haushaltsvorstände auch Soldaten. Waffenbesitz war für Männer Recht und Pflicht zugleich; die Frage, wer das Recht hatte, Waffen zu tragen, wer dazu verpflichtet, wem dies verboten war und wem dieses Recht entzogen wurde, war von zentraler Bedeutung für die kommunale Inklusion und die politische Partizipation einerseits und die soziale sowie genderbezogene Position andererseits.[43] Die Zeichenhaftigkeit des Waffenbesitzes, –tragens und –gebrauchs verwies auf die Zugehörigkeit zur Kommune, darüber hinaus aber auch auf Kontexte des Haushaltens, auf Autonomie und persönliche Souveränität, auf das Recht auf Widerstand und auf finanzielle Solvenz.[44] In ihrer politischen Symbolik ist die martial culture des 17. Jahrhunderts gleichwohl nur zum Teil beschrieben. Waffen (sowie auch soldatische Kleidung, Haar- und Bartwuchs) sind auch fashion statements, werden beim Sport, auf Reisen und (illegal) bei der Jagd gebraucht.[45] Wir finden in den Städten des 17. Jahrhunderts ein einschlägiges Fest- und Sportentertainment, das auf visueller und akustischer Repräsentation von Waffen beruhte, in dessen Rahmen sich physische und finanzielle Stärke, Beherrschung der Natur, Erfindungsreichtum, Mut und fair play demonstrieren ließen,[46] darunter Feuerwerke, Schau-Feldlager, Schießwettbewerbe mit verschiedenen Schusswaffen, auch Artillerie.[47] Hörner, Pfeifen, Trommeln, Kanonenfeuer, Gewehr- und Pistolenschüsse waren integraler Bestandteil kommunalen Lebens und konstituierten spezifische urban soundscapes.[48] Der Gebrauch und die Wahrnehmung des Schießpulvers in den Kontexten städtischen Entertainments weist darauf hin, dass das Schießpulver seine Bedeutung nicht als Waffentechnologie erlangte, sondern als Soundtechnologie im Rahmen kommunaler Repräsentation.[49] Die martial ethic gewinnt darüber hinaus ihre gestaltende Kraft für die Verwebung des Militärischen und des Zivilen im 17. Jahrhundert über das Konzept der Ehre, über die Bedeutung, die das „mannhaft“ bzw. „redlich“ Streiten als handlungsleitende und –legitimierende sowie normenbestätigende Kategorie hatte. Selbstbehauptung und -verteidigung, auch heroische, Tapferkeit, Mut, die Bereitschaft zur physischen Gewalt, Gehorsam, Loyalität, persönliche Reputation, ökonomischer Erfolg und Verantwortungsbewusstsein sind kulturelle Imperative, die sowohl in der häuslichen Sphäre als auch im Kriegsdienst (und auch für einfache Soldaten) relevant waren und in beiden Räumen demonstriert werden konnten. Das Wissen um Mobilität als Potential und Vorbedingung für Wohlstand, Gewinn und Wissenserwerb, die Bereitschaft, (kollektive) Gewalt – zum Zweck des Angriffs und der Verteidigung – auszuüben, Risiken eingehen zu wollen, Organisationsgeschick und – in gewissem Maße – auch finanzielle Weitsicht sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, die im Kriegsdienst Erfolg versprachen, die aber auch Rahmenbedingungen für alle Aktivitäten im überregionalen Handel waren. Den Krieg des 17. Jahrhunderts in seiner Komplexität, seinen vielfachen Aneignungsformen und Räumen, seinen ökonomischen und symbolischen Logiken zu beschreiben, heißt folglich auch, affine Handlungsfelder zu berücksichtigen, in denen (kollektive) Gewalt mit anderen Ressourcen und Handlungsfeldern verknüpft war, die im 17. Jahrhundert die Gewissheit vermittelten, die eigene Biographie gestalten zu können. Die Historiographie schreibt den Dreißigjährigen Krieg zumeist in einem kohärenten und geschlossenen Narrativ, das Chaos und Unbestimmtheit weitgehend eliminiert. Die hier edierten Briefen erlauben es dagegen, Männer und Frauen beobachten, die eigennützig Handlungsoptionen in Bezug auf ihre eigene Biographie reklamierten, die eigenwillig Dinge anders sahen als andere – und somit dem Krieg in seiner kontingenten Beschaffenheit Sinn verliehen.


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[1] Das Verdienst, die Briefe im Hessischen Staatsarchiv Marburg lokalisiert und der Forschung bekannt gemacht zu haben, gebührt Fritz Wolff. Wolff hat in einem Aufsatz aus dem Jahr 1997 die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Briefbestands rekonstruiert, Schreibstil und Inhalt der Briefe analysiert, die am Kommunikationsprozess beteiligten Personen – so weit möglich – in ihrem sozialen Umfeld verortet, ein Verzeichnis der Briefe vorgelegt sowie sechs Briefe transkribiert. Fritz Wolff, Feldpostbriefe aus dem Dreißigjährigen Krieg. Selbstzeugnisse der kleinen Leute, in: Walter Heinemeyer (Hg.), Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897-1997, Bd. 1, Marburg 1997, S. 481–512. Die Briefe befinden sich im Hessischen Staatsarchiv Marburg (StA MR) Best. M1 Nr. 725.

[2] Vgl. zur detaillierten Beschreibung der Empfänger/Empfängerinnen und Absender/Absenderinnen das Verzeichnis der Briefe.

[3] Zur Geschichte Hessens im Dreißigjährigen Krieg vgl. John Theibault, German Villages in Crisis. Rural Life in Hesse-Kassel and the Thirty Years’ War; 1580-1720, New Jersey 1995; Tryntje Helfferich, The Iron Princess. Amalia Elisabeth and the Thirty Years War, Cambridge, MA 2013; zur Einquartierung in Schmalkalden vgl. Renate T. Wagner (Hg.), Johann Georg Pforr. Beschreibung etzlicher denckwürdigen Geschichden; eine Chronik von Schmalkalden 1400 – 1680, Jena 2007.

[4] Wolff, Feldpostbriefe, S. 485–487.

[5] Wolfgang Günthert, Vnderthenige Relation wegen der Schmalkaldischen Briefe, 8. August 1625, StA MR Best. M1 Nr. 725, fol. 37.

[6] Reskript des Landgrafen Moritz, 9. August 1625, StA MR Best. M1 Nr. 725, fol. 37.

[7] Extract auß den 28 intercipirten von etlichen zu Schmalkalden ins Tillysche Lager abgeschickten Schreiben, StA MR Best. M1 Nr. 725, fol. 38.

[8] Extract auß den 28 intercipirten von etlichen zu Schmalkalden ins Tillysche Lager abgeschickten Schreiben, StA MR Best. M1 Nr. 725, fol. 38.

[9] Ebd.

[10] Reskript des Landgrafen Moritz, 22. August 1625, zit. nach Wolff, Feldpostbriefe, S. 486.

[11] Wolff, Feldpostbriefe, S. 486.

[12] Ebd.

[13] Ebd., S. 490–493, mit ausführlicheren Informationen zu den Absendern/Absenderinnen und Empfängern/Empfängerinnen.

[14] Briefe werden in der Frühneuzeitforschung meist als Artefakte einer Kultur der Freundschaft, als Medien in Gelehrtenkreisen und als Kommunikationsmittel im Kontext globaler Migration und Reisemobilität diskutiert. Die hier edierten Briefe deuten gleichwohl an, dass im 17. Jahrhundert der Kreis derer, für die mit Lesen, Schreiben und Papier verbundene Praktiken selbstverständlicher Teil des Alltags waren, sehr weitläufig zu denken ist.

[15] Sybille Krämer, Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität, Frankfurt a.M. 2008, S. 109.

[16] Wolff, Feldpostbriefe, S. 490–493, untersucht diesen Punkt detaillierter.

[17] NN an Hanß Merdt, s.d., StA MR Best. M1 Nr. 725, fol. 66r–67v.

[18] Zur Kritik am reduktionistischen Kriegsbegriff der Militärgeschichte, der zumeist auch geschichts-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungen zugrunde liegt, vgl. grundlegend Bernd Hüppauf, Was ist Krieg? Zur Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs, Bielefeld 2015.

[19] Ebd., S. 84.

[20] Stephen Greenblatt, Cultural Mobility. An Introduction, in: ders., Ines G. Zupanov, Cultural Mobility. A Manifesto, Cambridge 2010, S. 1–23.

[21] Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2007 [Oxford 2005], S. 28.

[22] Marilyn Strathern, The Relation. Issues in Complexity and Scale, Cambridge 1995, S. 11.

[23] Ann Tlusty, The Martial Ethic in Early Modern Germany. Civic Duty and the Right of Arms, New York 2011.

[24] Michael Sikora, Söldner. Historische Annäherung an einen Kriegertypus, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003) 2, S. 224.

[25] Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, hrsg. und bearb. von Jan Peters, Berlin 1993, S. 222.

[26] Axel Gotthard, “Der liebe vnd werthe Fried”. Kriegskonzepte und Neutralitätsvorstellungen in der Frühen Neuzeit, Köln 2014, S. 169.

[27] Andreas Herberg-Rothe, Der Krieg. Geschichte und Gegenwart, Frankfurt a.M. 2003, S. 65.

[28] Peter H. Wilson, Europe’s Tragedy. A History of the Thirty Years War, London 2009, S. 832, mit Kritik am antagonistischen Bild militärisch-ziviler Beziehungen.

[29] Vgl. Erik-Jan Zürcher, Introduction. Understanding Changes in Military Recruitment and Employment Worldwide, in: ders. (Hg.), Fighting for a Living. A Comparative Study of Military Labour; 1500-2000, Amsterdam 2013, S. 11–42.

[30] Vgl. zur zeitgenössischen Diskussion um die Legitimität des Kriegsdienstes, die Formen der Rekrutierung und Entlohnung sowie die Bewertung von Gewalt im Krieg Schwedischer Soldatenspiegel. Das ist Christlicher Unterricht wie sich dieser Zeit Evangelische Soldaten Gewissens und Amts halben gegen Gott, ihrem Feldherrn, Obersten, Haupt-Leuten, Spies-Gesellen, Freunden und Feinden … zuverhalten haben. Durch einen Teutschen Lutherischen Patrioten, s.l. 1632.

[31] Dass eine Kulturgeschichte des Krieges Methoden entwickeln muss, um Krieg als Ereignis, das durch Kampf und Kriegspolitik definiert ist, zu überschreiten, fordert Hüppauf, Was ist Krieg?, S. 265.

[32] Paul Scannell, Conflict and Soldiers’ Literature in Early Modern Europe. The Reality of War, London 2015.

[33] Vgl. z.B. zur Besatzung und Einquartierung in Osnabrück von 1628-1633 Silke Törpsch, Krieg und konfessionelle Koexistenz in Osnabrück 1628–1633. Rudolf von Bellinckhausens „Kurtze beschreibung so [sich] zu Oßnabrugk hat zugetragenn“, in: Dietlind Hüchtker/Martina Thomsen/Yvonne Kleinmann (Hg.), Reden und Schweigen über religiöse Differenz. Tolerieren in epochenübergreifender Perspektive, Göttingen 2013, S. 236–265.

[34] Hans Boldt, Art. Ausnahmezustand, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 343–376.

[35] Gabriele Jancke, Gastfreundschaft in der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Praktiken, Normen und Perspektiven von Gelehrten, Göttingen 2013, S. 29.

[36] Vgl. zur Verschränkung von Ressourcen, ökonomischen Praktiken und Beziehungslogiken in der Frühen Neuzeit Gabriele Jancke, Daniel Schläppi (Hg.), Die Ökonomie sozialer Beziehungen. Ressourcenbewirtschaftung als Geben, Nehmen, Investieren, Verschwenden, Haushalten, Horten, Vererben, Schulden, Stuttgart 2015.

[37] Arnold Mengering, Belialis Stratiotici Consobrinus. Sceleratus Metator. Der schendliche ungerechte Quartiermeister gegenwertiger verzweiffelter Zeiten, Altenburg 1639, Vorrede, S. 3.

[38] Vgl. z.B. Terje Wessel, Does Diversity in Urban Space Enhance Intergroup Contact and Tolerance?, in: Geografiska Annaler, Ser. B, 91 (2009) 1, S. 5–17.

[39] Vgl. Christof Jeggle, Ressourcen, Märkte und die Ökonomien sozialer Beziehungen, in: Jancke, Schläppi, Die Ökonomie sozialer Beziehungen, S. 65–88.

[40] Andreas Reckwitz, Affective Spaces. A Praxeological Outlook, in: Rethinking History 16 (2012) 2, S. 241–258; vgl. auch Susan Broomhall (Hg.), Emotions in the Household. 1200-1900, Basingstoke 2008.

[41] Vgl. dazu grundlegend Tlusty, Martial Ethic.

[42] Ebd., S. 5.

[43] Ebd., S. 3.

[44] Ebd., S. 6.

[45] Ebd., S. 7.

[46] Ebd., S. 170.

[47] Ebd., S. 30.

[48] Ebd., S. 40.

[49] Ebd., S. 44.

[50] Die Edition folgt den Editionsrichtlinien der digitalen Edition der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656) an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, www.tagebuch-christian-ii-anhalt.de/index.php [6.12.2016].