Die Gesandtschaften der bikonfessionellen Reichsstädte vom Westfälischen Frieden zum jüngsten Reichsabschied 1654

Dissertationsprojekt an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, betreut von PD Dr. Frank Kleinehagenbrock (Lehrstuhl für Neuere Geschichte)


Als die Reichsstadt Dinkelsbühl am 1. Mai des Jahres 1632 von den schwedischen Truppen Gustavs II. Adolf (1594-1632) unter Führung des Obristen Claus Dietrich von Sperreuth (um 1600-1653) eingenommen wurde, war die Erleichterung der protestantischen Bürger und Einwohner der Stadt groß. Endlich konnten sie sich, so ihr Selbstverständnis, von der Unterjochung durch die katholische Minderheit der Stadt lösen und das Stadtregiment übernehmen, hatte doch unter Heinrich V. von Knöringen (1570-1646), dem Fürstbischof von Augsburg, ab 1600 eine regelrechte Phase der Gegenreformation in der Stadt begonnen. Außerdem wurde durch das protestantische Kirchenpflegerkollegium, das als offizielle, auch kaiserlich legitimierte Vertretung gegenüber dem Rat auftrat, bemängelt, dass es letztmalig im Jahr 1616 überhaupt einen Evangelischen im Rat gegeben habe, von einem Bürgermeister ganz zu schweigen. Diese Beschwerde muss allerdings insofern berichtigt werden, als es nachweislich zu allen Zeiten Protestanten im Rat gab, nur eben im Inneren Rat nicht, der maßgeblich für die Geschicke innerhalb der Stadt verantwortlich war. Die Deutung der Stadtgeschichte während des konfessionellen Zeitalters und des Dreißigjährigen Krieges ist protestantisch geprägt und hat seit dem 19. Jahrhundert entsprechend Niederschlag in der Historiographie gefunden. Ausdruck dessen ist auch das Festspiel des Heimatfestes „Die Kinderzeche“, das die Errettung der Stadt im Jahr 1632 zum Inhalt hat und seit 1897 perpetuiert wird. Es bildet den kulturellen Mittelpunkt des Stadtlebens, was deshalb auch in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Verbreitung dieser Deutungsmuster bis in jüngste Zeit geführt hat.

Dass dieser Zustand der protestantischen Dominanz im Stadtregiment nur bis 1634 anhalten sollte, war zu diesem Zeitpunkt natürlich niemandem bewusst. Entsprechend wurde nach 1632 der katholische Bevölkerungsteil, der ohnehin eine Minorität bildete, benachteiligt und drangsaliert.
Umso größer war die Ernüchterung, als sich das Alte Reich, nach dem Wendepunkt der Schlacht bei Nördlingen 1634, vertreten durch den kaiserlichen General Octavio Piccolomini (1599-1656) wieder der Stadt bemächtigte und als Folge die Unterdrückung der protestantischen Bevölkerung durch den nun wieder katholischen Magistrat dann umso schlimmer wurde. Lange versuchte die protestantische Gemeinde Linderung zu schaffen, indem man sondierte, welche Möglichkeiten es zur Erlangung einer Gleichheit beider Konfessionen in der Stadt gebe. Den ersten Ansatzpunkt boten die geplanten Friedensverhandlungen in Köln 1636/37, da der Prager Friede (1635) von den Dinkelsbühler Protestanten nicht als Erleichterung gesehen werden konnte (die Bedeutung des Prager Friedens ist lange nicht augenscheinlich geworden, aber gerade für kleinere Reichsstände mit zwei Konfessionen war er für die Argumentation der Kontrahenten entscheidend). Zwar hob er das Restitutionsedikt von 1629 auf und arbeitete mit einem Normaljahr, doch war dieses für die Protestanten ungünstig. Auch ein Stadtfriedensrezess im Jahr 1641 wurde auf protestantischer Seite eher als hinnehmbares Übel denn als Befreiung empfunden, wohingegen die Katholischen diesen im Sinne des Prager Friedens als Grundlage für den Stadtfrieden ansahen. Man konnte zwar verschiedene Streitpunkte, wie zum Beispiel die Benutzung der Heilig-Geist Kirche oder die städtische Bezahlung des protestantischen Schulmeisters, klären, allerdings nicht im gewünschten Umfang und mit dem gewünschten Erfolg, den sich die Protestanten von einem solchen Rezess erhofft hatten. Erst die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden boten die Möglichkeit, unter Bemühung persönlicher Kontakte des Schreibers des Dinkelsbühler Kirchenpflegekollegiums, Hans Melchior Wildeisen d.Ä. (1601-1663), einen Vertreter der Protestanten nach Osnabrück zu entsenden. Besagter Wildeisen war einer der zwölf Kirchenpfleger und während der Jahre 1632 -1634 Verantwortlicher für die Stadtkasse gewesen. Da man durch Wildeisens Bruder, der in Ulm Buchdrucker war, gute Kontakte zu dieser Stadt hatte, beauftragte das Kirchenpflegerkollegium zunächst den Vertreter der Stadt Ulm, Dr. Sebastian Otto (1607-1678), für die Protestanten der Stadt Dinkelsbühl eine Gleichheit in „politicis et ecclesiasticis“ zu erreichen. Gerade an solchen Akteuren lässt sich die Bedeutung von Kontakten und Netzwerken für die Interessensvertretung der Reichsstadt Dinkelsbühl im Alten Reich erforschen. Ein weiteres Beispiel hierfür ist der Lindauische Gesandte Dr. Valentin Haider (1605-1664), der letztlich für alle Städte, die in Art. V,2 des Instrumentum Pacis Osnabrugensis genannt sind, die Verhandlungen führte. Das Beispiel Dinkelsbühl bildet, zusammen mit Biberach, Ravensburg, Augsburg und Kaufbeuren, einen Sonderfall im Reichsstadtgefüge des Reiches, sowohl in der Vorgeschichte als auch hinsichtlich der Bestimmungen des Westfälischen Friedens. Ausgehend vom Beispiel Dinkelsbühls ab dem Jahr 1632 soll zunächst durch eine Analyse der soziokulturellen Beschaffenheit der Stadt in der Zeit bis 1645 die Grundlage für die Untersuchung der Gesandtschaft, die letztlich zur Erlangung der politischen Parität führte, gelegt werden. Eine solche Studie liegt für die Dinkelsbühler Stadtgeschichtsforschung bisher nicht vor. Gleichzeitig wird hierdurch die Basis für grundlegende Untersuchungen der Parität in der Stadt gelegt, die ihre Genese und Praxis einbezieht. Dafür gibt es eine dichte Überlieferung im Stadtarchiv Dinkelsbühl, wie auch im Archiv des evangelischen Dekanats. Beide wurden bislang nicht umfänglich bzw. nur aus protestantisch geprägter Perspektive ausgewertet.

Im Vergleich mit den anderen Städten, die laut IPO Art. V,2 die Parität erlangt haben, sollen sodann Dinkelsbühler Spezifika herausgearbeitet werden. Dies soll durch intensive Literaturstudien und ergänzendes Quellenstudium geschehen. Gerade für Augsburg ist eine fundierte Literaturbasis vorhanden. Für die Städte Biberach und Ravensburg verhält sich dies leider nicht ganz so wie für Augsburg. Zwar sind grundsätzlich Forschungsarbeiten zu den beiden Städten vorhanden; diese stellen jedoch keine Spezialliteratur dar, das heißt, dass Fragestellungen in Bezug auf die Erlangung der Parität in der Stadt allenfalls in Überblickswerken zur Stadtgeschichte in groben Zügen mitbehandelt sind. Gleiches gilt für Biberach, das denselben Gesandten wie Dinkelsbühl hatte; hier ist ebenfalls eine breite Quellenbasis vorhanden.

Nach der Analyse der Vorgehensweise der protestantischen Bürger dieser Städte, die sich allesamt mit der Situation konfrontiert sahen, die Mehrheit zu stellen, aber gleichzeitig einem katholischen Stadtregiment unterworfen zu sein, zur Erlangung einer eigenen Vertretung in Osnabrück soll dann der Weg hin zur Durchsetzung der Regeln des IPO in der Praxis vollzogen werden. Ferner gilt es, vor allem die im Zeitraum 1649 bis 1651 entstandenen Stadtfriedensrezesse sowie die Ergebnisse des Nürnberger Exekutionstags von 1650 für die paritätischen Reichsstädte zu analysieren. Außerdem wird es in einem letzten Schritt nötig sein, die Reichstagsakten des jüngsten Reichstags 1653/54 zu sichten, um sich ein genaues Bild über die Stellung dieser Städte (Gesandtschaft katholisch oder evangelisch) oder die Integration ins Alte Reich und die Verhandlungen zu machen.

Der Westfälische Friede muss im Allgemeinen, gerade wegen der Arbeit der Acta Pacis Westphalicae, als gut erforscht gelten. Im Bereich der diplomatischen Vertretung der Reichsstädte aber, und im Besonderen der bikonfessionellen, gilt es jedoch noch Forschungslücken zu schließen. Hier kann das Dissertationsprojekt einen wichtigen Beitrag leisten, um die Reichsstadtgeschichtsforschung aus überkommenen Deutungsmustern des 19. Jahrhunderts herauszuführen und um die bisherigen Forschungen zum Westfälischen Frieden, gerade in Bezug auf kleinere Reichsstände, zu ergänzen. So reiht sich dieses Dissertationsprojekt in die Reihe der Forschungen nicht nur zu den Reichsstädten im Dreißigjährigen Krieg, sondern auch zur Diplomatiegeschichte in Bezug auf den Westfälischen Frieden und die Reichstage ein. Darüber hinaus soll das Dissertationsprojekt nicht zuletzt eine lokale Forschungslücke schließen, da Dinkelsbühl unter den vier Städten der Parität als am schlechtesten erforscht gelten muss. Dadurch soll die Basis für weitergehende Forschungen zur Stadtgeschichte gelegt werden, was möglicherweise neue Fragestellungen nach sich zieht. Denn es wird ein kleinerer Akteur in der Politik des Hl. Röm. Reiches in den Blick genommen und seine politischen Optionen sowie die Grenzen seines Handelns ausgelotet.

Maximilian Mattausch, M.A.

Kontakt: max(at)mattausch.net


Empfohlene Zitierweise: Maximilian Mattasuch – Die Gesandtschaften der bikonfessionellen Reichsstädte vom Westfälischen Frieden zum jüngsten Reichsabschied 1654. In: Dreißigjähriger Krieg Online – Projekte, hg. von Markus Meumann (Online-Ressource; URL: https://thirty-years-war-online.projekte.thulb.uni-jena.de/projekte/max-mattausch-gesandtschaften-der-reichsstaedte [Datum des Aufrufs in eckigen Klammern]).