Politikberatung und Fürstenregiment. Die Universität Jena und die Weimarer Herzöge im Dreißigjährigen Krieg

Dissertationsprojekt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, betreut von Prof. Dr. Georg Schmidt (Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit). Das Promotionsvorhaben wird ab 01.04.2017 von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert.


Einführung

Der Dreißigjährige Krieg wurde in der Forschung unter verschiedenen Perspektiven als Religionskrieg (F. Schiller), Staatsbildungskrieg (J. Burkhardt) oder Europäischer Krieg (C. Kampmann) gedeutet[1]. Jedes dieser Konzepte rückt dabei einen spezifischen, vermeintlich dominierenden Faktor in den Mittelpunkt. Wird der Blick auf den Westfälischen Frieden gerichtet, zeigt sich eine klare Tendenz: Die Verhandlungsführer mussten einen inneren Krieg des Reiches mit internationaler Beteiligung (G. Schmidt) beenden[2]. Die beiden Garantiemächte Frankreich und Schweden waren für den Schutz eines Friedens verantwortlich, der sich auf das mehrschichtige Verfassungssystem des Alten Reiches (K. Härter)[3] bezog. Geschaffen wurde ein Reichsgrundgesetz (G. Schmidt)[4], kein europäischer Frieden,[5] erst recht keiner, der ein Westphalian System souveräner gleichberechtigter Nationalstaaten geschaffen hatte (L. Gross).[6] Ausgehend vom Westfälischen Frieden als Reichsgrundgesetz (IPO, Art. XVII, 2/ IPM §112) und des Dreißigjährigen Krieges als inneren Krieg des Reiches mit internationaler Beteiligung liegt es nahe, unter diesem staatsrechtlichen Aspekt auch den Beginn des Dreißigjährigen Krieges zu untersuchen. Im Zentrum der Untersuchung steht dabei die Perspektive der Politikberater der Weimarer Herzöge zwischen 1618 und 1626 aus dem Umfeld der durch den Juristen Dominicus Arumäus begründeten Jenaer Schule.

Problemstellung

Dass in dieser Dissertationsstudie der Fokus auf Sachsen-Weimar gelegt wird, hat drei Gründe. Zum einen hatte das kleine Herzogtum eine nicht zu unterschätzende Rolle am Beginn des Krieges. Diese wurde bisher weitgehend vernachlässigt und stattdessen vor allem die Rolle Kursachsens betont (P. Müller, A. Gotthardt).[7] Im Verlauf der böhmischen Krise unterstützte der Weimarer Herzog Johann Ernst d. J., tief überzeugter Lutheraner, Friedrich V. von der Pfalz, einen entschiedenen Anhänger des reformierten Glaubens. Der Pfälzer versuchte über den Weimarer Herzog, Kurfürst Johann Georg von Sachsen für sein Vorgehen gegen den Kaiser zu gewinnen. Dieser blieb jedoch seiner prokaiserlichen Haltung treu. Zum anderen hatte dies ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen Weimar und Dresden zur Folge. Der Verlust der Kurwürde infolge des Schmalkaldischen Krieges 1546/47 hatte bereits tiefe Risse zwischen Ernestinern und Albertinern verursacht. Seit der Landesteilung 1603 und im Zuge des innerwettinischen Primogenitur- und Präzedenzstreites trat dies neuerlich und deutlicher hervor. Die Rangfolge innerhalb der ernestinischen Linie wurde dabei neu festgelegt. Dies konnte für den Fall, dass der sächsische Kurfürst ohne erbberechtigten Agnaten verstarb, entscheidend werden. Zudem ging es im Zuge dieses Streites auch um politische Kompetenzen, um die eigene Staatsbildung und um das Verhältnis zwischen Kur- und Reichsfürsten. Trotz erfolgter Vormundschaftsquittierung 1615 versuchte der Kurfürst die Politik der ernestinischen Herzöge in eine ihm genehme, d. h. prokaiserliche Richtung zu lenken. In einer Vielzahl verschiedener staatsrechtlicher Gutachten spiegelt sich dieser Streit auf Ebene der Gelehrten wider. Sie stehen zudem für eine intensive Auseinandersetzung mit der Reichsgesetzgebung. Hieraus ergaben sich auch aufgrund der vermeintlichen Nähe der Weimarer Herzöge zum Calvinismus erhebliche Spannungen zum Dresdener Kurhaus. Väterlicherseits reichten die dynastischen Verbindungen Sachsen-Weimars zur Pfalz drei Generationen zurück. Hinzu kam, dass die Mutter Johann Ernsts und Wilhelms IV. von Sachsen-Weimar eine Anhaltinerin und Anhängerin des Calvinismus war. Diese dynastischen Verbindungen, die bestehenden Erbverbrüderungen bzw. -einungen seit dem 16. Jahrhundert (T. Ott)[8] und schließlich die Annahme der böhmischen Krone durch Friedrich V. beeinträchtigten nachträglich die Verhältnisse auf Reichs- sowie auf innerwettinischer Ebene. Schließlich hatte das Vorgehen des Herzogs Konsequenzen für das Selbstverständnis des Herzogtums. Nachdem 1547 die Kurwürde infolge der Schlacht von Mühlberg verloren gegangen war, war das Luthertum zum neuen Fixpunkt der ernestinischen Herrschaft geworden. Die Ernestiner sahen sich selbst als Bewahrer des Wahren Luthertums. Die neugegründete Universität Jena sollte dabei die Rolle des geistigen Rückgrats übernehmen. Das Handeln Johann Ernsts d. J. widersprach dem gänzlich und war theologisch nicht mit dem Selbstanspruch zu vereinbaren. Die Gelehrten der Universität Jena, voran die Juristen, hatten sich mit diesem Umstand auseinanderzusetzen. Die Berater standen vor der Herausforderung, dass sie die vermeintlich ernestinische Tradition, das Territorialrecht und das Reichsrecht miteinander in Einklang bringen mussten. Im Kern ging es dabei um politische Kompetenzen und eine eigenständige Politik der Weimarer Herzöge, die den kurfürstlichen und kaiserlichen Vorstellungen widersprachen. Zudem standen die Gelehrten vor dem Dilemma, dass sie von den ernestinischen Herzögen und den sächsischen Kurfürsten gleichermaßen abhängig waren. Folglich mussten sie sich sowohl mit bestehenden Verträgen und den territorialrechtlichen Bestimmungen und Regelungen der Wettiner als auch mit dem Reichsrecht auseinandersetzen. Das römische Recht fand dagegen kaum noch Anwendung. Die Konfession wurde in diesem Zusammenhang als staatsrechtliche, weniger als theologische Kategorie gedeutet. Ein Angriff gegen diese war gleichbedeutend mit einem Angriff gegen das libertär-föderative Verfassungssystem des Reiches und galt als Indiz für eine vermeintliche Monarchisierung des Reiches. Allerdings war dies nur eine von vielen möglichen Deutungen des Staatsrechts.

Untersuchungsgegenstand

Das Projekt untersucht das Verhältnis zwischen den Gelehrten der Universität Jena und den Weimarer Herzögen Johann Ernst d. J. sowie Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar zwischen 1608 und 1626. Im Zentrum steht dabei die durch den Juristen Dominicus Arumäus begründete sog. Jenaer Schule, die Schüler und Kollegen, so etwa Friedrich Hortleder oder Johann Gerhard, aller universitären Professionen umfasste. Sie bildete das geistige Rückgrat der Alma Mater Jenensis. Die enge wechselseitige Verflechtung zwischen den Weimarer Herzögen und den Gelehrten der Universität Jena fand ihren Ausdruck in der Politikberatung der Herzöge und trat besonders während des Dreißigjährigen Krieges hervor. Durch den gegenseitigen politischen Austausch über Ordnung und Herrschaft (L. Schorn-Schütte)[9] wurden schließlich die Grundlagen für die Etablierung des Ius Publicum in Jena gelegt. Erfasst wird die Beratung hierbei durch das Konzept der politischen Klugheitslehre, die um 1600 insbesondere durch den kurzzeitig in Jena wirkenden Gelehrten Justus Lipsius[10] und durch den in Jena wirkenden Gelehrten Elias Reusner[11] etabliert wurde. Lipsius unterschied nicht nur zwischen einer Staats- und einer Religionsklugheit, sondern vor allem auch zwischen einer eigenen und einer fremden Klugheit und entwarf damit eine Beratungslehre, die als theoretisches Grundgerüst genutzt wird. Für die Staatsführung in Krisen- ebenso wie in Friedenszeiten waren beide Formen essentiell. Wie Lipsius betonte etwa auch Christian Warner Friedtlieb die Notwendigkeit der (politischen) Beratung. Das Verhältnis zwischen Gelehrten und Regenten war damit scheinbar der zentrale Faktor für die Regierung eines Territoriums, wodurch den Kommunikationsprozessen auch eine entschiedene Bedeutung zugemessen werden muss. Daher wird der Zugang über die Klugheitslehre mit dem Konzept der neueren politischen Ideengeschichte und der political language in der Frühen Neuzeit, die sich durch die besonders praxisbezogene politische Sprache auszeichnete, verbunden. Hierdurch ist es möglich, den Wandel [der politischen Sprache] in den zeitgenössischen Konflikten zu verdeutlichen und damit der spezifischen Politikberatung im Herzogtum Sachsen-Weimar gerecht zu werden. Diese wird dabei als institutionalisierter Prozess des Austausches (L. Schorn-Schütte)[12] zwischen Fürst und Gelehrten aufgefasst und kommt damit Lipsius‘ und Friedtliebs Vorstellungen einer politischen Beratung am nächsten. Diese Studie ordnet sich dabei in drei Forschungsperspektiven ein. Zum einen wird die Entwicklung der Gelehrten als Stand innerhalb des politischen Prozesses in Sachsen-Weimar berücksichtigt. Um 1800 wurden sie als politische Professoren (K. Ries) im Herzogtum aktiv,[13] wobei jedoch bereits um 1600 erste ähnliche Tendenzen zu beobachten sind. Zum anderen wird in dieser Untersuchung der föderative Charakter des Alten Reiches mit seinem mehrschichtigen politischen und Rechtssystem (L. Schorn-Schütte, G. Schmidt, K. Härter) betont.[14] Schließlich wird die enge Wechselwirkung der Jenaer Gelehrten mit den Weimarer Herzögen untersucht. Erst diese ermöglichte die Etablierung des Ius Publicum als Wissenschaft in Jena. Die Politikberatung war – so die Annahme – die entscheidende Schnittstelle zwischen den theoretischen und in aristotelischer Tradition stehenden „Politiken“ sowie der sich zunehmend etablierenden Staatsrechtswissenschaft an der Universität Jena. Die Forschungsfrage für diese Studie ist: Wie sind die Prozesse des politischen Austauschs zwischen den Gelehrten des Herzogtums und den Weimarer Herzögen und damit die grundlegenden Ausgangsbedingungen für die Entstehung des Ius Publicum zu charakterisieren? Zentral sind dabei etwa Fragen nach

  • dem Wesen, Charakter, Zusammenwirken und der Institutionalisierung der politischen Beratung und damit der Verflechtung der Gelehrten untereinander und mit den Weimarer Herzögen,
  • dem Verhältnis der verschiedenen Wissenssphären von Gelehrten und Regenten sowie dem spezifischen Staatsrechtverständnis der Jenaer Gelehrten und dem damit geschaffenen staatsrechtlichen Handlungsrahmen für die Herzöge,
  • dem Umfang und den Ebenen der Beratung sowie dem Einfluss, den Zielen und den Rollen der politischen Berater innerhalb des politischen Prozesses,
  • der Entstehung und Verdichtung einzelner Gelehrter zu einer Schule bzw. einem Kreis als Grundvoraussetzung für die Herausbildung und Etablierung des Ius Publicum.

Quellen

Um 1600 entstand eine Vielzahl an Traktaten, in welchen die staatsrechtlichen und konfessionellen Probleme innerhalb des Reiches theoretisch aufgearbeitet wurden. Sie bildeten den inhaltlichen Rahmen für die Jenaer Politikberater und die spätere Etablierung des Ius Publicum an der Universität Jena. In diesem Zusammenhang ist auf den von Dominicus Arumäus zwischen 1615 und 1621 herausgegebenen fünfbändigen Discursus Academici de Iure Publico hinzuweisen. Dieser kann in seiner Gesamtheit und in Form der einzelnen Beiträge gelesen werden. Eine eindeutige ideengeschichtliche Zuordnung des Discursus wird durch die Vielzahl der Beiträger erschwert, dementsprechend muss dies am Einzelfall überprüft werden. Es lassen sich aber drei Quellengruppen klassifizieren, die hierüber Tendenzen erkennen lassen: 1.) juristische Texte mit Reichsabschieden und Reichsgrundgesetzen. Sie stellt den zentralen Bezugspunkt dar; 2.) Texte antiker Autoren, wobei sich hier kein einheitliches Bild zeigt; 3.) zeitgenössische Texte, wobei eine starke Auseinandersetzung etwa mit Jean Bodin und François Hotman, Johannes Sleidan oder Tobias Paurmeister zu beobachten ist. Welche der Beiträge schließlich in den Vordergrund rücken, hängt ganz entscheidend von den Zielen des Weimarer Herzogs ab. Ebenso in diesen Zusammenhang einzuordnen sind die unter dem Titel Discursus Academici ad Auream Bullam Caroli Quarti Romanorum Imperatoris erstmals 1617 herausgegebenen Reichsgesetzsammlungen Melchior Goldasts. Die Sammlung, die Edition und schließlich die Auseinandersetzung mit dem Staatsrecht nahmen dabei um 1600 zu. Insbesondere mit Ausbruch des Krieges in Böhmen schlägt sich dies in den Gutachten der Berater nieder. Die Debatten werden dabei jedoch nicht losgelöst geführt, sondern mit bereits geführten Diskussionen zusammengeführt und in die ernestinische Traditionslinie eingeordnet. Beispielhaft hierfür stehen die monumentalen Werke Friedrich Hortleders über den Schmalkaldischen Krieg von 1617/18 oder Johann Gerhards zwischen 1615 und 1620 erschienene loci theologici. In diesen Kontext sind schließlich auch, als letztes Beispiel, die Arbeiten Johann Wilhelm Neumair von Ramslas einzuordnen, der mit seinen Werken über die Fragen der Neutralität, der Bündnisse und des gerechten Krieges, basierend auf einer spezifischen Auslegung des Staatsrechts und vor Hugo Grotius, ein praktisches Völkerrecht schuf und damit erstmals versuchte, die komplizierte Reichsgesetzgebung mit dem auf dem Alten Herkommen basierenden und eben noch nicht kodifizierten Völkerrecht in Einklang zu bringen. Jener enge Zusammenhang zwischen Staatsrecht und sich etablierenden völkerrechtlichen Normen wurde bisher gänzlich vernachlässigt. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Widerstandsrecht. Die Korrespondenzen zwischen den einzelnen Mitgliedern und zwischen ihnen und den Herzögen sind, sofern diese vorhanden sind, wichtig, weil dadurch eine zweite Diskurs- und Beratungsebene sichtbar wird. Die angesprochenen Diskurse und Disputationen zeigen letztlich das Ergebnis einer Auseinandersetzung. Über die verwendeten Quellen lässt sich der Argumentationsgang nachvollziehen. Die Korrespondenzen ergänzen diese. Bisherige Archivrecherchen haben ergeben, dass die Korrespondenzen der Jenaer Gelehrten teilweise in Nachlässen zu finden sind, so etwa im Falle Friedrich Hortleders. Er kann als Ausgangspunkt genutzt werden, da er ab 1608 als Präzeptor, also Lehrer, der Weimarer Prinzen agierte und schließlich selbst dem Arumäus-Kreis angehörte. Als herzoglicher Rat hatte er eine Art Scharnierfunktion zwischen dem Hof, dem Landtag und der Universität inne. So stand er nicht nur mit den Herzögen in engem Kontakt, sondern auch mit den Gelehrten, nicht nur der Salana, sondern beispielsweise auch mit dem bereits erwähnten Melchior Goldast. Meine Recherchen haben ergeben, dass der Briefwechsel Hortleders verstreut in verschiedenen Formen überliefert ist. Für die Zeit zwischen 1609 und 1616 ist ein Briefwechsel mit Melchior Goldast in Heinrich Christian von Senckenbergs Selecta iuris et historiarum überliefert. In der Handschriftenabteilung der Hamburger Staatsbibliothek finden sich zu Hortleder außerdem zwei Korrespondenzbände mit gut 400 Briefen, auf die Frank Boblenz hingewiesen hat, die er aber nicht umfassender weiter thematisierte. Sie umfassen die Zeit zwischen 1605 und 1619. In Ergänzung mit dem im Weimarer Hauptstaatsarchiv befindlichen Nachlass von Hortleder sowie den in den einzelnen Akten befindlichen Korrespondenzen dürfte der Hamburger Bestand eine sehr gute Ausgangsgrundlage für meine Untersuchung darstellen[15]. Selbiges gilt für die in der Forschungsbibliothek Gotha aufbewahrten Korrespondenzen. Die bisherigen Recherchen haben gezeigt, dass sich in deren Handschriftenabteilung eine Vielzahl von Briefen des Arumäus-Kreises befindet, die allerdings erst noch eingesehen werden müssen. Schließlich finden sich vereinzelte Briefe, gerade mit den Weimarer Herzögen, in den entsprechenden Verwaltungsakten im Weimarer Hauptstaatsarchiv bzw. im Archiv der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Neben den Beiträgen, Disputationen und Korrespondenzen stellen die in Auftrag gegeben Gutachten (Consilia) der Gelehrten für die Weimarer Herzöge die wichtigsten Quellen dar. Diese entstanden innerhalb des politischen Prozesses. An ihnen lässt sich die direkte Politikberatung am deutlichsten zeigen. Am Beginn des Dreißigjährigen Krieges sind eine Vielzahl solcher Gutachten zu verschiedenen Themenfeldern, etwa der Primogenitur- und Präzedenzstreitigkeiten oder der Böhmen-Frage entstanden. Zu unterscheiden ist hier offenbar zwischen universitären Gesamtgutachten des Senats der Universität und den Consilia von einzelnen Beratern. Es wird zu klären sein, in welchem Verhältnis diese zueinanderstehen und wie der Weimarer Herzog mit diesen konträren Positionen umging. Jene Gutachten sind hauptsächlich in den jeweiligen Verwaltungsakten verwahrt bzw. in den Akten des Universitätsarchives. Diese sind nicht separat in den Archiven zu finden, sondern sind dem jeweiligen Sachverhalt zugeordnet, was das Auffinden entsprechend schwierig gestaltet. Die ersten analysierten Gutachten waren jedoch vielversprechend. Zudem ist es auch ein Ziel der Arbeit, diese Gutachten vor dem eingangs skizzierten Hintergrund der Forschung bereit zu stellen.

Einzubeziehende Archive

Die Bestände des bereits erwähnten Hauptstaatsarchivs Weimar[16] und des Universitätsarchivs Jena[17] stellen die zentrale Grundlage dieser Studie dar. Die bisherigen Recherchen über, soweit vorhanden, entsprechende Bibliographien sowie unter Konsultierung der zuständigen Archivmitarbeiter haben gezeigt, dass weitere Archive hinzuziehen sind: das Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien,[18] das Bayerische Hauptstaatsarchiv München[19], die Staatsarchive in Nürnberg[20] und Coburg[21], das Landeshauptstaatsarchiv Baden-Württemberg Stuttgart[22] sowie das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden[23]. Aufgrund der Aktenlage in den Archiven München, Nürnberg und Stuttgart sind längere Archivaufenthalte einzuplanen. Die für diese Studie in Frage kommenden Bestände sind weitgehend unerschlossen. Eingesehen wurden bisher die für den Beginn des Dreißigjährigen Krieges und die Böhmen-Frage entscheidenden Kriegsakten sowie Teile der Bestände Landschaftssachen, Fürstenhaus und Kunst und Wissenschaft sowie Urkundenabschriften sowie Auswärtige Angelegenheiten im Weimarer Hauptstaatsarchiv[24]. Ferner werden derzeit die betreffenden Bestände des Universitätsarchives ausgewertet, wobei hier insbesondere die Vorlesungsverzeichnisse sowie diejenigen der angefertigten Dissertationen sowie die Senatsverhandlungen im Vordergrund stehen.

Weiterführende Perspektiven

Wenngleich in dieser Studie ein landesgeschichtlicher Gegenstand untersucht wird, ermöglicht sie im weiteren Arbeitsverlauf doch Fokussierungen und weiterführende Perspektiven, die über diesen Rahmen hinausreichen. So bietet sie beispielsweise Anknüpfungspunkte für die Wissenschaftsgeschichte, indem sie die entscheidenden Grundlagen für die Etablierung der Staatswissenschaft in Jena thematisiert, die bisher nur unzureichend erarbeitet wurden (J. St. Pütter, M. Stolleis, M. Schmoeckel)[25]. Ferner folgt sie den Tendenzen der neueren politischen Ideengeschichte, indem der Fokus nicht auf die Großen theoretischen Denker (L. Schorn-Schütte)[26] gelegt wird, sondern auf eben jene zweite Reihe, die in die politischen (Entscheidungs-) Prozesse integriert und auf dieser Basis, theoretisch das Staatsrecht reflektierend, in die Regierung involviert war. Weiterhin bietet sie im Rahmen einer Geschichte der Gelehrsamkeit unter Aufgreifen bisheriger Tendenzen möglicherweise ein Alternativkonzept zum Zugang des Späthumanismus (etwa E. Trunz, G. Walther, Th. Maissen)[27] bzw. zu systemtheoretischen Zugängen (T. Parsons, J. Habermas, R. Stichweh)[28] zur Erfassung des Verhältnisses von Gelehrsamkeit und Politik. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die verschiedenen Argumentationslogiken von Gelehrten und Regenten, deren unterschiedliche Zugänge zu spezifischen Informationen oder etwa den Umgang und Austausch mit diesen sowie die Art und Weise des Wissenserwerbs. Dies erscheint umso wichtiger, weil politische Entscheidungen stets auch auf den jeweils zu Verfügung stehenden Informationen basieren. Information und Entscheidung waren und sind miteinander verbunden (A. Brendecke)[29]. Schließlich ist auf die Anknüpfungspunkte in Bezug auf die europäische Geschichte hinzuweisen. Dies begründet sich nicht nur anhand des zeitlichen Handlungskontextes. Politische Beratung war in der Frühen Neuzeit ein Phänomen allerorten und wurde entsprechend in Anspruch genommen. Der kleinste gemeinsame Nenner um 1600 war dabei die Verschränkung von Staatsrecht und Konfession, die zusammen genommen ein europäisches Sicherheitsrisiko darstellten. Andererseits konnte das Recht aufgrund der eigenen Interpretationsspielräume und der konfessionellen Einflussnahme nicht neutral sein. So wie auf konfessioneller Ebene verschiedene Auslegungen der heiligen Schrift möglich waren, konnten auch einzelne Bestimmungen des Staatsrechtes des Heiligen Römischen Reiches unterschiedlich gedeutet werden. Welche Interpretation als die maßgebliche Deutung anzusehen war, war eine gänzlich andere Frage. Eine weitere Besonderheit zeigt sich dahingehend, dass sich parallel zur Entwicklung eines spezifischen, praktischen Staatsrechts, in Anlehnung an das Reichsrecht und dessen Kategorien (etwa Konfession), ein praktisches Völkerrecht herausbildete. Jenes resultierte im Wesentlichen aus der politischen Beratung. Dem zugrunde lagen zwei Probleme, die überall in Europa diskutiert wurden: das Widerstandsrecht und das Konzept des gerechten Krieges (R. v. Friedeburg, L. Schorn-Schütte)[30].

Marcus Stiebing
wissenschaftlicher Mitarbeiter, LS Geschichte der Frühen Neuzeit (Uni. Jena)

Kontakt: marcus.stiebing(at)uni-jena.de

 


[1] Vgl. Friedrich Schiller, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 9 (Berliner Ausgabe), Berlin 2005; Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt am Main 1992; Johannes Burkhardt, Die Friedlosigkeit in der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für Historische Forschung 24 (1997), S. 509-574; Christoph Kampmann, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, 2. Aufl., Stuttgart 2013. Zuletzt: Axel Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung (UTB; 4555), Köln u. a. 2016.

[2] Vgl. Georg Schmidt, Der Dreißigjährige Krieg, 8., durchges. u. aktual. Aufl., München 2010.

[3] Vgl. Karl Härter, Das Heilige Römische Reich deutscher Nation als mehrschichtiges Rechtssystem, in: Stephan Wendehorst (Hrsg.), Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien. Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation (Bibliothek Altes Reich; 5), Berlin u. a. 2015, S. 327-349.

[4] Vgl. Georg Schmidt, Der Westfälische Frieden – Ein multilateraler Reichsgrundgesetzvertrag?, in: Der Staat, Bh. 23 (2015), S. 11-26; Siegrid Westphal, Der westfälische Friede, München 2015.

[5] Vgl. hierzu die Bände anlässlich des 350. Jahrestages der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück: 1648. Krieg und Frieden in Europa, 3 Bde., hrsg. von Klaus Bußmann und Heinz Schilling, Münster 1998.

[6] Vgl. Leo Gross, The Peace of Westphalia 1648-1948, in: The American Journal of International Law (42) 1948, S. 20-41; kritisch hierzu: Heinz Duchhardt, „Westphalian System”. Zur Problematik einer Denkfigur, in: Historische Zeitschrift 269/2 (1999), S. 305-315.

[7] Vgl. hierzu: Frank Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand 1618-1622 (= Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte; Bd. 23), Münster 1997; Axel Gotthardt, „Politice seint wir Bäpstisch“. Kursachsen und der deutsche Protestantismus im frühen 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung 20 (1993), S. 275-319; ders., „Wer sich salviren könd solts thun“. Warum der deutsche Protestantismus in der Zeit der konfessionellen Polarisierung zu keiner gemeinsamen Politik fand, in: Historisches Jahrbuch 71 (2001), S. 64-96.

[8] Vgl. Thomas Ott, Präzedenz und Nachbarschaft. Das albertinische Sachsen und seine Zuordnung zu Kaiser und Reich im 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abt. für abendländische Religionsgeschichte; 217), Mainz 2007.

[9] Vgl. Luise Schorn-Schütte, Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-Theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit, München 2015; dies., Historische Politikforschung. Eine Einführung, München 2006.

[10] Vgl. Justus Lipsius, De Constantia. Von der Beständigkeit. Übers., komment. und mit einem Nachw. verseh. von Florian Neumann, Mainz 1998. Iusti Lipsii, Sechs Bücher/ Von Unterweisung zum Weltlichen Regiment: Oder/ von Burgerlicher Lehr (…), übers. von Melchior Haganau, Neustadt 1618. Zur Auseinandersetzung mit Lipisus: Gerhard Oestreich, Antiker Geist und moderner Staat bei Justus Lipsius (1547-1606). Der Neustoizismus als politische Bewegung (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; 38), Göttingen 1989. Kritisch hierzu: Martin van Gelderen, Holland und das Preussentum. Justus Lipsius zwischen Niederländischem Aufstand und Brandenburg-Preussischem Absolutismus, in: Zeitschrift für Historische Forschung 23 (1996), S. 29-56.

[11] Vgl. Niklas Reusner, Speculum boni principis historico-politcorum, Jena 1610.

[12] Vgl. hierzu auch: John G. A. Pocock, Political Thought and History. Essays on Theory and Method, Cambridge u. a. 2009; Quentin Skinner, The Foundations of Modern Political Thought, 2. Bde., Cambridge 2000.

[13] Vgl. Klaus Ries, Wort und Tat. Das politische Professorentum der Universität Jena im frühen 19. Jahrhundert (Pallas Athene; 20), Stuttgart 2007.

[14] Vgl. Härter, Rechtssystem (wie Anm. 3); Schorn-Schütte, Menschenherrschaft (wie Anm. 9); Georg Schmidt, Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495-1806, München 1999.

[15] Bestände: HStUB Sup. Ep. 37; HStUB Sup. Ep. 38; Ferner: HStUB Sup. Ep. 5 (Melchior Goldast), HStUB Sup. Ep. 28 (Justus Lipsius), HStUB Sup Ep. 44 (Jenaer Professoren) – Vgl. hierzu: Katalog der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg ; Bd. 8: Supellex epistolica Uffenbachii et Wolfiorum. Katalog der Uffenbach-Wolfschen Briefsammlung. Hrsg. und bearb. von Nilüfer Krüger, Hamburg : Hauswedell, 1978.

[16] Bestände: Krieg und Frieden (H), Kaiser und Reich (C), Auswärtige Angelegenheiten (D/ DS), Kunst und Wissenschaft – Hofwesen(A) , Fürstenhaus (A) und Landschaftssachen (B).

[17] Bestände: Rektor und Senat (A), Juristische Fakultät (K Abt. F.), Theologische Fakultät (J).

[18] Vgl. hierzu auch: Bestände: Reichsarchive 14. bis 19. Jahrhundert: Diplomatie und Außenpolitik vor 1848; Staatenabteilungen 15. Jh. bis 1860; Staatskanzlei 1500-1860; Reichskanzlei 14. bis 19. Jahrhundert. – Vgl. hierzu: Pauser, Josef/ Scheutz, Martin/ Winkelbauer, Thomas (Hg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband; Bd. 44), München/ Wien 2004.

[19] Bestände: Hausurkunden, Mannheimer Urkunden sowie Korrespondenzakten – Die notwendige Zustimmung des Chefs des Hauses Wittelsbach wurde hierzu bereits erteilt.

[20] Bestände: I. Abt. Altbestände: Evangelische Unionsakten 79, 95, 97, 98, 99, 100, 123, 131; Reichstagsakten 192; Briefbücher des Rates der Stadt Nürnberg 228-244.

[21] Bestände: I. Abt. Altbestände: Ältere Behörden, Landesarchiv: Lokat A, B, D und E. – Vgl. hierzu: Andrian-Werburg, Klaus Freiherr von, Staatsarchiv Coburg. Beständeübersicht (= Bayerische Archivinventare; Bd. 41), München 1981.

[22] Bestände: Unions-, Kriegs- und Friedenssachen (A 90), Unions-Akten (A 90 A), Regierungsakten Johann Friedrichs von Württemberg (A 71), Sachsen (A 111), Kabinett (A 16)

[23] Bestände: Markgrafschaft Meißen, Albertinisches Herzogtum und Kurfürstentum/ Königreich bis 1831; Urkunden; Ältere Urkunden 948-1806; Hofbehörden; Oberhofmarschallamt; Gesamtbehörden und Einrichtungen der Erblande; Herrschaften.

[24] ThHStAW, Krieg und Frieden H1, H2, H3, H6, H7, H8, H9, H10a und H11. Offen sind noch H14, H15, H39, H40; ThHStAW, Landtagsakta B10, B11a; ThHStAW, Fürstenhaus, A51, A52, A52 Ergänzung, A53b, A53c, A53e; ThHStAW, Kunst und Wissenschaft, A5503, A5509, A5950; ThHStAW, Urkundenabschriften, F194, F1174, F1181.

[25] Johann Stephan Pütter, Litteratur des Teutschen Staatsrechts, 3 Theile, Göttingen 1776-1783; Michae Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, München 1988, 102-104, 141-154; Mathias Schmoeckel, Dominikus Arumaeus und die Entstehung des öffentlichen Rechts als rechtswissenschaftliches Lehrfach in Jena, in: ders., Robert v. Friedeburg (Hrsg.), Recht, Konfession und Verfassung im 17. Jahrhundert. West- und mitteleuropäische Entwicklungen (Historische Forschungen; Bd. 105), Berlin 2015, S. 85-127.

[26] Vgl. Anm. 9.

[27] Vgl. Erich Trunz, Deutsche Literatur zwischen Späthumanismus und Barock. Acht Studien, München 1995; Notker Hammerstein, Gerrit Walther (Hrsg.), Späthumanismus. Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche, Göttingen 2000; Thomas Maissen, Gerrit Walther (Hrsg.), Funktionen des Humanismus. Studium zum Nutzen des Neuen in der humanistischen Kultur, Heidelberg/Wuppertal 2006; Axel E. Walter, Späthumanismus und Konfessionspolitik. Die europäische Gelehrtenrepublik um 1600 im Spiegel der Korrespondenzen Georg Michael Lingelsheims (Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext; 95), Tübingen 2004.

[28] Vgl. Talcott Parsons, Zur Theorie sozialer Systeme, Opladen 1976; Jürgen Habermas, Technik und Wissenschaft als „Ideologie“, Frankfurt am Main 1968; Rudolf Stichweh, Der frühmoderne Staat und die europäische Universität. Zur Interaktion von Politik und Erziehungssystem (16. bis 18. Jahrhundert), Frankfurt am Main 1991.

[29] Vgl. Arndt Brendecke (Hrsg.), Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien (Pluralisierung und Autorität; 16), Berlin u.a. 2008; ders., Imperium und Empirie. Funktion des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln u.a. 2009.

[30] Vgl. Arndt Brendecke (Hrsg.), Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien (Pluralisierung und Autorität; 16), Berlin u.a. 2008; ders., Imperium und Empirie. Funktion des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln u.a. 2009.


Empfohlene Zitierweise: Marcus Stiebing – Politikberatung und Fürstenregiment. Die Universität Jena und die Weimarer Herzöge im Dreißigjährigen Krieg. In: Dreißigjähriger Krieg Online – Projekte, hg. von Markus Meumann (Online-Ressource; URL: https://thirty-years-war-online.projekte.thulb.uni-jena.de/projekte/marcus-stiebing-politikberatung-und-fuerstenregiment [Datum des Aufrufs in eckigen Klammern]).