Nach dem Kriege. Die Nachkriegszeit des Dreißigjährigen Krieges am Beispiel der kursächsischen Stadt Zwickau

Dissertationsvorhaben an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, betreut von Prof. Eva Labouvie (Lehrstuhl für Geschichte der Neuzeit/ Geschlechtergeschichte)


Auf einem nach den Westfälischen Friedensschlüssen publizierten Flugblatt ist der tote Kriegsgott Mars auf einem Totenbett abgebildet, umringt von weinenden Soldaten. Der Verfasser des Blattes kommentiert die Szenerie mit der ironischen Frage:

„Du guter Vatter Mars so liegst du hier begraben?

Wie elend werden es nun deine Söhne haben?“[1]

Das Flugblatt wirft ein Schlaglicht auf eine der vielen Herausforderungen der Nachkriegszeit des Dreißigjährigen Krieges, die die Zeitgenossen zu bewältigen hatten. Außer dem weiteren Verbleib der Söldner der Heere und Besatzungen nach den Abdankungen standen für die Überlebenden noch andere Probleme an, wie beispielsweise die Abwesenheit von Herrschaft in manchen Regionen, die Schuldenberge auf Gütern, Gemeinden und Herrschaft sowie der Rückgang der Bevölkerungszahlen und der Wirtschaftskraft.

Für diese wichtige Phase nach dem Dreißigjährigen Krieg besteht allerdings bis heute auf Mikro- und Mesoebene ein großes Forschungsdesiderat. Zwar wurde in den letzten Jahrzehnten der nachwestfälische Reichsverband erforscht,[2] doch weder wurden die politischen Maßnahmen zum Wiederaufbau auf der Ebene der Territorien noch deren Wirksamkeit bei der Bevölkerung umfassend analysiert. Dies soll nun erstmalig am Beispiel der kursächsischen Stadt Zwickau untersucht werden.

Von 1631 bis 1650 war Zwickau direkt vom Dreißigjährigen Krieg und dessen Folgen betroffen.[3] Die Stadt wurde im Dreißigjährigen Krieg achtmal belagert und fünfmal erobert. Von 1632 an bis zur Abmusterung, also der Entlassung der hier stationierten Truppen aus dem Dienst im August 1650, wurde sie abwechselnd von schwedischen, kursächsischen und kaiserlichen Truppen besetzt. Nach Rudolf Köhlers Berechnungen verfügte die Stadt 1631 noch über 5374 Einwohner. Nach dem Krieg, im Jahr 1654, lebten in Zwickau nur noch 2691 Menschen[4].

Bei der Untersuchung wurden verschiedene Quellensorten wie Kirchenbücher, Ratsprotokolle, Briefwechsel, Leichenpredigten oder Stadtbücher herangezogen, um die unterschiedlichen Bereiche des Nachkriegsalltags thematisch zu analysieren. Die Prozesse in Zwickau während der Nachkriegszeit, wie Bevölkerungsentwicklung, Integration/ Exklusion von Neuankömmlingen und Wiederaufbaumaßnahmen werden dabei im Kontext zur kursächsischen Landesherrschaft gesehen. Deren Handeln in der Zeit nach dem Krieg soll in Beziehung zu den Vorgängen in Zwickau gesehen werden. Im Rahmen der Dissertation haben sich vier inhaltliche Schwerpunkte ergeben, die die Nachkriegszeit thematisch beleuchten:

  1. Die Definition des Begriffes „Nachkriegszeit“ als nutzbarer Forschungsbegriff für die Zeit nach einem Krieg in der Vormoderne am Beispiel des Dreißigjährigen Krieges. Damit soll eine Diskussion über das Wesen und über die Charakteristika von zeitlichen Phasen nach militärischen Konflikten in der Vormoderne und die verschiedenen Perspektiven der Betroffenen eröffnet werden.
  2. Versuch des Wiederaufbaus nach dem Krieg durch Akteure auf verschiedenen Ebenen. Im Fokus stehen hier die Steuerpolitik, die (Re-)Etablierung von Herrschaft, das Gewerbe und die Rekultivierung verlassener Häuser und Güter nach dem Kriege. Im Zuge dessen wurden die Strategien und die Erwartungen diverser gesellschaftlicher Akteure, wie der Zwickauer Ratsherren, des jeweiligen Kurfürsten, einzelner hoher Beamter, Zwickauer Handwerker, Innungen und von Zwickauer Amtsmännern rekonstruiert.
  3. Die (Re-)Integration und Exklusion verschiedener gesellschaftlicher Gruppen nach dem Krieg. Neben einer Einschätzung der demographischen Folgen des Krieges und der Rekuperation in der Nachkriegszeit erfolgt eine Untersuchung der Zuwanderung nach Zwickau. Auf Basis der Bürgerbücher wurden die Intensität des Zuzugs, die Berufe der Neubürger und deren geographische Herkunft kategorisiert. Unter den Neusiedlern liegt dabei ein besonderer Fokus auf den böhmischen Exulanten. Diese protestantischen Glaubensflüchtlinge aus dem Königreich Bürgerreich mussten ihre Heimat wegen der habsburgischen Rekatholisierung nach dem Dreißigjährigen Krieg verlassen. Ein weiter Schwerpunkt liegt auf der (Re-)Integration ehemaliger Soldaten nach deren jeweiliger Abdankung. Anhand der sich in Zwickau aufhaltenden Veteranen lässt sich am deutlichsten der Übergang von der Kriegs- zur Nachkriegszeit feststellen.
  4. Die geistige Verarbeitung des Dreißigjährigen Krieges in dessen Nachkriegszeit. Hier wird untersucht, wie die Zeitgenossen die jüngere Vergangenheit des Dreißigjährigen Krieges auf geistiger Ebene verarbeitet und eingeordnet haben. Dabei wird u.a. die Frage aufgeworfen, ob kriegsbedingte Traumata in der Nachkriegszeit des Dreißigjährigen Krieges überhaupt zu fassen sind. Daneben erfolgt anhand von Chroniken, Liedern, Leichenpredigten und Suppliken eine Analyse der Bewertung des Krieges durch die Zeitgenossen.

Christian Landrock

Kontakt: c.landrock(at)dc-md.de

 


[1] Zit. n. Körber, Esther-Beate, Krisenbewusstsein und Krisenbewältigung in der Literatur nach 1648, in: Scholten, Helga (Hg.), Die Wahrnehmung von Krisenphänomenen. Fallbeispiele von der Antike bis in die Neuzeit, Köln u.a. 2007, S. 174.

[2] Vgl. bspw.  Burkhardt, Johannes, Vollendung und Neuorientierung des frühmodernen Reiches 1648-1763 (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 11), 10. völlig neu bearbeitete Aufl., Stuttgart 2006; Gotthardt, Axel, Das Alte Reich 1495-1806, 2. Aufl., Darmstadt 2005; Schmidt, Georg, Der Westfälische Frieden – eine neue Ordnung für das Alte Reich?, in: Mußgnug, Reinhard (Hg.), Wendemarken der deutschen Verfassungsgeschichte. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 11.3 – 13.3.1991, Berlin 1993, S. 45-84.

[3] Vgl. als knappen Überblick jetzt Löffler, Michael: Zwickau in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. In: Kulturamt der Stadt Zwickau (Hg.): Chronik Zwickau. Band 1: Von den Anfängen bis zum 18. Jahrhundert. Dresden 2017, S. 128-141.

[4] Köhler, Rudolf, Der Einfluss des 30jährigen Krieges auf die Bevölkerungszahl deutscher Städte, insbesondere auf die Zwickaus, Diss. Leipzig, Manuskript 1920, durchg. Ausgabe 1984 S. 72


Empfohlene Zitierweise: Christian Landrock – Nach dem Kriege. Die Nachkriegszeit des Dreißigjährigen Krieges am Beispiel der kursächsischen Stadt Zwickau: Dreißigjähriger Krieg Online – Projekte, hg. von Markus Meumann (Online-Ressource; URL: https://thirty-years-war-online.projekte.thulb.uni-jena.de/projekte/christian-landrock-nach-dem-kriege [Datum des Aufrufs in eckigen Klammern]).