Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel (NLA WO) 40 Slg Nr. 2021, 01
Anweisung Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) an alle Beamten und Soldaten, Pässe von Soldaten zu kontrollieren und sie gegebenenfalls zu bestrafen, um Plünderungen und Exzesse einzudämmen (30. Januar 1641)
Von[1] Gottes Gnaden /[2] Wir Augustus Hertzog zu Braun-
schweig und Lüneburg / etc. Fügen unsern Praelaten / denen von der Ritterschafft / Beschlosten / Gerichts Junckern
Beampten / Bürgermeistern / Räthen in den Städten / wie auch Gogreffen[3] und allen denjenigen / welche unserntwegen zu gebieten und zu verbieten haben / In-
sonderheit aber unserm General Leutenanten / General Majeurn, Obristen / Obristen Leutennanten / auch andern Unsern Hohen und Niedern Krieges Officirern /
Dann Unsere Soldatesca zu Roß und zu Fuß ins gemein / nechst gnädiger zuentbietunge / hiemit in Gnaden zu wissen / [.] Ob wir uns wol versehen / es würde ein jeder
Unsere zu verschiedenen mahlen außgelassene und wiederholete Ausschreiben / publicirte offene Patenta und Anschläge / auch andere wieder die tägliche vorge-
hende Plackereyen[4] / Vergewaltigung[5] Unserer Unterthanen und biß dahero von der Soldatesca vielfältig unverantwortlich verübte exorbitantien[6] von Uns ertheilete Ordres und gemachten
Anstaldt seiner unterthänigen Schuldigkeit nach beobachtet / Denselben für sich selbst gehorsamlich gelebet / und deren effectuirung mit aller müglichen Sorgfalt und Fleiß befordert haben / So
vernehmen wir jedoch mit höchstem Unmuth / daß so wol bey noch wehrender der Königl[ich] Schwedischen und Weymarischen Armeen Einquartierung / als auch nach delogirung[7] derselben /
das tägliche auslauffen der streiffenden Partheyen / so wol von der Feindlichen Guarnison aus Unserer Feste Wolfenbüttel / als unserer eigenen Soldatesca, sonderlich aber von denen zu Roß
in unsern Fürstenthumben und Landen aber eins sehr uberhand genommen / und daß damit und denen dabey vorgehenden Vergewaltigungen / abnehmen / außplünderungen / feindlichen uberfal-
len / eigenmächtigen Einquartierungen / Salvaguardieren[8] und andern dergleichen muthwillen und exorbitantien noch immerfort dergestalt continuiret und verfahren werde / daß / dofern solchen
Verübungen nicht vorgebawet werden sollte / Dahero alle noch ubrige Nahrung und Commercien[9]ins stecken gerathen und niedergeleget / unsere Unterthanen gantz und gar zu Sumpff und
Boden gerichtet / und unsere und unsers Fürst[lichen] Hauses eigene Soldatesca, durch jhr eigenes verursachen in unersetzlichen Abgang und Verderb gerathen muste. Gleich wie nun allen Hohen und
Niedern Officirern / wieauch der Soldatesca ins gemein / solche unchristliche Verübungen und excesse zu gestatten / noch denenselben zuzusehen / gar nicht vermögen noch gemeinet seyn / Also will
uns noch viel weniger gebühren / unsere ohne das mehr dann zu viel beträngte und ersogene arme Unterthanen / in solchem Bedruck stecken zu lassen / und sie der Soldateschen Muthwillen / oder
auch des Feindes disposition zu untergeben / besondern es erfordert unser tragendes hohes Fürstliches Ampt und Landesväterliche Vorsorge / sie wider allen unrechtmässigen Gewalt und Unter-
drückung Fürstlich zu schützen / und deßwegen gehörigen Anstalt und Verordnung zu machen. Und befehlen demnach vorgedachten unsern hohen und niedern KriegesOfficirern / insonderheit
aber denen / so den Guarnisonen an den Pässen / in den Quartieren und sonsten ins gemein einiges Commando führen / daß sie keinem von jhrer unterhabenden Soldatesca zu Roß und Fuß / er-
lauben oder verstatten / ohne habenden expressen Schrifftlichen Paß / an andere Oerter zureisen / oder auff Partheyen zu gehen / [.] Solte aber jemand ohne habenden Paß aus zu reiten und zu
lauffen sich unterstehen / und darüber betreten werden / so sol der an dem Ort da er ohne Paß gefunden wird / angehalten / und nach befindung der dabey verübten Thätligkeit und anderer Verbre-
chung mit Ernst angesehen / auch nach Gelegenheit der Sache an Leib und Leben / ohne einigen respect[10] gestraffet werden. Damit auch solches vors ander umb so viel desto besser zu werck gerich-
tet werden müge / so sollen alle unsere Commendanten an Ohrt und Enden wie obstehet für sich selbst fleissige Auffsicht haben / daß alle so in denen jhnen anvertrawten Posten / Guarnisonen und
Quartieren von der Soldatesca zu Roß und Fuß / sie gehören gleich unserm Fürstl[ichen] Hause zu oder nicht / anlangen / scharff examiniret, und die Pässe von jhnen gefordert / auch da sie dieselbe
nicht vorzuzeigen / angehalten / mit den unserigen Vermüge der in unserm Fürstlichen Hause der disciplin halber auff gerichteten Verfassungen verfahren / die frembden aber uff jhren eigenen
Kosten so lange behalten werden / biß sie von jhren Regiment oder Compagnie einen glaubhafften Schein der jhnen anbefohlenen Reise und Verrichtung halber beybringen können. Da dann
vors dritte die Unterthanen auff dem Lande von den Partheyen vergewaltiget / außgeplündert / oder jhnen mit Raub / abnahm der Pferde und des Viehes / Brand / Mord und andern Vor-
gewaltigungen und Thätligkeiten zugesetzet werden solte / wollen wir unsere Officirer und Commendanten in den nechst angelegenen Guarnisounen und Quartieren hiemit und in Krafft die-
ses beordert haben / daß sie so bald sie das geringste von solchen Händeln vernehmen / unsern Unterthanen assistiren / sie wider allen unrechten Gewalt schützen / und da sie der streiffenden Parthey
sich bemächtigen können / dieselbe zu verdienter Straffe in guter Verwahrung und Hafft behalten / und Uns nebst der Obrigkeit jedes Orts den Verlauff ohnauffheltlich unterthänig berichten.
Absonderlich weiln Wir / vors vierdte beglaubten Bericht erlangen / daß unsere Soldatesca bey beziehung und hinwieder erfolgender delogirung der Quartieren allerhand Muthwillen verüben
und da sie umb jhr Gelt zuzehren / sich mit Futter und Mahl umbsonst von den Unterthanen verpflegen lassen / und noch wol dazu beym Abzuge ein stücke Geldes begehren sollen. So befehlen
Wir allen unsern Officirern und Commendanten / daß sie solches hinfüro nicht allein nicht gestatten / sondern wollen auch / da dergleichen in den Quartieren vorgehen solte / daß von jhnen selb-
sten da sie nurten bey anstehender Verbrechunge von den beschädigsten oder von der Obrigkeit ersuchet / die erstattung geschehen / oder jhnen dasjenige so verzehret / von jhrem Sold abgezogen /
und den Unterthanen wieder gegeben werden solle / Da auch etliche so wol von Officirern als Soldaten bey denen jhnen anbefohlenen reisenden Convoyen / wie auch dasie jhres eigenen Gewer-
bes oder Verrichtung halber auff dem Lande zu thun haben / und in den Krügen und Herbergen / wie offtmals zugeschehen pflegt / uff der Unterthanen Seckel für jhr eigen Haupt zu zehren sich
unternehmen würden / so sol jhnen solches nicht gestattet / besondern der Commendant solches Orts oder Unsere nechste Beambte und andere so daselbst zu befehlen haben / schuldig seyn / sie zur
Zahlung anzuhalten / und da sie dazu gutwillig sich nicht verstehen wollen sich jhrer Personen zu bemächtigen und den Verlauff uns zu fernerer gehörigen verordnung unterthänig zuberichten.
Wollen auch vors fünffte / damit alles umb so viel desto besser hernacher gehe / Unserm General- wie auch andern Auditeurn[11] ins gemein bey unsern Regimenten zu Roß und Fuß hiemit ernst-
lich eingebunden und anbefohlen haben / daß sie uff die vorgehende exorbitantien-Mißhandlungen und andere excesse der Soldatesca gute genawe achtung geben / und da sie das geringste davon in
erfahrung bringen / tragenden Ampts und Pflichte halber / mit fleiß nachfragen / und nach erlangter Kundschafft es in die schleunige wege richten / daß es an gehöriger scharffer Straffe nicht er-
mangeln müge / [.] Befehlen darüber vors Sechste Unsern Praelaten / Freyherrn / denen von der Ritterschafft / Beschlosten / Gerichts Junckern / auch Burgermeistern und Rähten / Voigten /
Gogreffen / und dann allen andern / wie obstehet / daß sie / und zwar ein jeder an seinem Orte / auff die streiffende Partheyen fleissige auffsicht haben / Und da sie was ungereimbtes / oder einige
exorbitantien, oder sonsten etwas thätliches vernehmen / die Verbrechere mit gesambter Hand / dazu sie die Unterthanen durch den Glockenschlag zu beruffen / verfolgen / auch da sie allein nicht
gnugsam seyn / den nechsten Commendanten jhnen zu assistiren ermahnen / und eusserster Mügligkeit dahin trachten / daß sie sich solches Gesellen bemächtigen können / Inmassen dann nicht al-
leine einer so angeruffen wird / dem andern auff stehenden Fuß / die hülffliche Hand zu bieten / besondern auch da sich die Verbrechere zur Gegenwehr setzen würden / jhnen zugelassen seyn sol / Ge-
walt mit Gewalt abzutreiben / und die Thätere gar niederzuschlagen / und also den armen Unterthanen / wie auch dem reisenden Manne / Ruhe und Sicherheit zu schaffen / [.] Dieses meinen Wir
ernstlich / Es hat sich männiglich darnach eines für alles zu achten / Und Wir seynd den Gehorsam in Gnaden zu erkennen geneigt / [.] Dofern aber ein oder ander seumhafft oder nachlässig be-
funden würde / so sol der dem Beleidigten zu jhrem Schaden mithafften / und darüber nicht desto weniger mit gebührendem Ernste angesehen und bestraffet werden. Zu Uhrkund Wir dieses
mit unserm Handzeichen und Fürst[ichen] Secret wissentlich bekräfftiget / So geschehen in Unserer Stadt Braunschweig / den 30. Tag Januarij Anno 1641.
Augustus H[erzog] z[u] Br[aunsc]h[weig][12]
[Aufgedrücktes, papiergedecktes Wachssiegel][13]
[1] Das „V“ ist als große Initiale gefasst.
[2] Darüber befindet sich ein Loch im Papier. Es stammt vom Nagel, mit welchem das Mandat oder Patent als Aushang angeschlagen war.
[3] Ein Gograf war ein Richter an einem Gogericht (auch Gaugericht).
[4] Raubüberfälle.
[5] Hier wohl eher Gewalttaten oder Körperverletzung im Allgemeinen.
[6] Latein: Übertretungen, Abirrungen. Gemeint ist ein Übermaß an Gewaltanwendung, das auch nicht von entsprechenden Verordnungen gedeckt war.
[7] Ausquartierung, Abzug der Truppen.
[8] Bei Salva Guardia handelt es sich eigentlich um Schutzbriefe, für welche aber zumeist eine regelmäßige Zahlung geleistet werden musste, was mitunter den Charakter einer Schutzgelderpressung annehmen konnte.
[9] Handel oder Wirtschaft.
[10] Ohne Rücksichtnahme.
[11] Angehörige der Militärjustiz.
[12] Handschriftliche Signatur des Herzogs.
[13] Aufgedrücktes, papiergedecktes Wachssiegel
Empfohlene Zitierweise: Philip Haas: Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel (NLA WO) 40 Slg Nr. 2021, 01. Anweisung Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) an alle Beamten und Soldaten, Pässe von Soldaten zu kontrollieren und sie gegebenenfalls zu bestrafen, um Plünderungen und Exzesse einzudämmen (30. Januar 1641.). In: dreißigjähriger krieg online / thirty years‘ war online, hg. von Markus Meumann. Online-Ressource, URL: https://thirty-years-war-online.projekte.thulb.uni-jena.de/quellen/verordnungen/edition/anweisung-herzog-augusts-des-juengeren-von-braunschweig-lueneburg-30-januar-1641/nr-2021-01 [Datum des Aufrufs in eckigen Klammern]).